
Von Studierenden wünscht sich jeder Neugier. Zum Glück ist Neugier etwas, das Menschen einfach haben, quasi unser ganz persönliches Willkommensgeschenk. Allerdings kann sie, wenn wir uns nicht um unsere Neugier kümmern, still und leise wieder verloren gehen.
Wir brauchen aber davon dringend mehr als weniger, denn Neugier setzt Flexibilität voraus und trainiert Anpassungsfähigkeit. Dadurch wird sie zu einer unersetzlichen digitalen Kompetenz. Mit ihr weiten wir unseren Blick – den berühmten open mind – und stellen die richtigen Fragen. Nebenbei stärkt Neugier die Resilienz und beglückt uns mit Dopamin, das gern als Glücks- oder Vorfreudehormon bezeichnet wird, weil es motiviert und zum Tun anregt. Ach ja, neben der Kleinigkeit, dass Neugierde für Innovation, Kreativität, Veränderungen verantwortlich ist und als wichtigste Charaktereigenschaft gilt – wo wäre die Menschheit ohne Neugierde? Wahrscheinlich noch in der Savanne.
Wenn jetzt die Neugierde so wichtig ist, warum macht dann Neues nicht automatisch neugierig? 5 Faktoren sind dafür verantwortlich, dass Funkelnagelneues auch unsere Neugier weckt.
„Überraschung“ – Warum wir neugierig auf Neues sind, solange es keine Steuererklärung ist
Neulich habe ich meinen Kühlschrank aufgeräumt und dabei eine vergessene Tupperdose entdeckt, die bereits eine eigene Mikroflora entwickelt hatte. Das war eine Überraschung – allerdings nicht die Art von Überraschung, die ich mir gewünscht hätte. Wir lieben Überraschungen, wenn sie für uns positiv sind. Denn wer freut sich schon über eine Schimmelkultur? Doch, doch, doch, da gab es jemanden, der neugierig überrascht von Schimmelkulturen im Labor war. 1928 hat Alexander Fleming das wissenschaftliche Ergebnis seiner Schimmelkultur publiziert. Also gilt auch für die Neugier: Was für die einen eine üble Überraschung ist, das ist für die anderen spannend und macht sie neugierig. Also bleiben Sie neugierig, wenn Ihre WG-Menschen eigenartige Dinge im Kühlschrank horten, es könnte ja eine bahnbrechende Erfindung sein. Frei nach dem Motto: „Ist das Wissenschaft oder kann das weg?“
„Wabrimida?“ – Eine Frage, die nicht nur der Steuerberater stellt
Ampera, Delta, ByDe6, iMIEV und jetzt ein Wabrimida – das klingt wie einer der eigenartigen Namen für E-Mobile, ist aber die Frage, die sich viele Menschen stellen, wenn etwas Neues auf sie zukommt. Wabrimida bedeutet: „Was bringt mir das?“ Oder: „Hat das für mich einen Sinn?“ „Was hab‘ ich für einen Nutzen?“ Varianten dazu sind die Fragen: „Was bringt das meinen Lieblingsmenschen / der Erde / dem Wirtschaftswachstum / dem Klima?“ Die Frage nach dem Nutzen ist so alt wie die Menschheit selbst – vermutlich wurde schon beim Anblick des ersten Rads überlegt: „Was bringt mir das?“ Tatsächlich wissen wir nicht genau, wer das Rad wie und wo zuerst erfunden hat. Sicher ist, es war vor ungefähr 5.500 Jahren, das das Rad gleichzeitig an mehreren Orten in Europa und in Asien auftauchte. Aber da lag das Rad horizontal als Töpferscheibe. Es dauerte allerdings eine Weile, bis ein neugieriger Mensch dachte: „Das Ding stell‘ ich doch mal senkrecht hin.“ Und erst dann wurde daraus ein Wagenrad. Es gibt natürlich auch Neugiermenschen, die für ihre Neugier kein „wabrimida“ brauchen – die auf alle und alles neugierig sind.
„Komplexität“ – Verstehen oder Verwirren?
Manchmal fühlt sich Neues an wie ein Buch mit sieben Siegeln – es könnte ein Manifest der Glückseligkeit sein oder ein handfester Vertrag für den Tausch von Kürbissen gegen magische Bohnen. Um was geht es denn? Was genau ist das? Wie halte ich das in der Hand? Stellen Sie sich eine Skala mit zwei Polen vor. Am einen Ende steht „kapier ich sofort“, am anderen Ende der Komplexitätsskala nur ein „häää?“. Wenn das Neue auf meiner persönlichen Komplexitätsskala bei „häää?“ liegt, dann sinkt meine Neugier rapide. Dann lege ich das Wunderding wahrscheinlich genauso verwirrt wieder zurück wie das Wunderwerkzeug, das sich quasi selbst montiert. Und auch hier gilt, dass jeder Mensch Komplexität unterschiedlich bewertet.
„Bewältigung“ – easypeasy oder hard as hell
Und noch einmal die Skala mit den zwei Polen. Jetzt steht auf der vor der einen Seite „kinderleicht zu verstehen“ und auf der anderen „verteufelt schwer“. Es gibt Sudoko-Spezialisten, die sich nur mit der Kategorie „extra schwer“ befassen, so richtig knifflig muss es da sein. Ich bin bei einem neuen Sudoko eher auf der mittelschweren Seite, zu leicht mag ich nicht, das ist schnell langweilig, aber wenn ich keine Chance sehe, das Sudoko jemals zu lösen, macht es mich auch nicht neugierig. Bei beruflichen Herausforderungen bin ich aber deutlich hartnäckiger und liebe es geradezu, wenn es wirklich schwer zu bewältigen ist. Nach dem Motto: „Geht nicht – gibt’s nicht.“ Und manchmal ist es mit der Bewältigung von Veränderungen wie mit einem Fitnessstudio für die Neugier – zu leicht, und man zweifelt am Nutzen; zu schwer, und man landet mit Kopfschmerzen auf der Couch und schwört sich, nie wieder
seine Neugiermuskeln zu trainieren. Und das wäre dann wirklich schade.
„Neugiertypologie“ – Wie passen die neuen Mitmenschen zu meinem inneren Sherlock Holmes?
Je nach Motivation macht einen etwas Neues neugierig oder schreckt ab. Und dann gibt es ja auch noch unterschiedliche Neugiertypen, die eine mehr oder weniger große Vorliebe für eine bestimmte Neugierart haben. Da ist zum Beispiel der analytische Neugier-Explorer, der epistemische Neugier liebt oder der Neugier-Socializer, der es einfach mag, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Beide sind neugierig – stimmt! Beide sind auf alles Neue neugierig – stimmt nicht! Wer also zu den wissensdurstigen, erforschenden, analytischen Neugier-Explorern gehört (und bestimmte Studienfächer sind dafür großartige Biotope), der wird bei neuen Menschen im Praktikum nicht automatisch neugierig werden. Kleiner Tipp: Wenn Sie sich dazuzählen, dann gehen Sie bitte ins Fitnessstudio für soziale Neugier. Trainieren Sie Ihr neuestes Wissengebiet – die Menschen. Wie mag der seinen Kaffee? Welche Musik hört sie? Small Talk ist harte Arbeit, das sieht nur bei Neugier- Socializern einfach aus. Und Vielfalt und Offenheit gelten nicht nur bei Wissensgebieten, sondern auch bei Menschen.