Raus aus meinem Garten
oder was Konflikte mit Gartenzäunen zu tun haben.
Da redet mich einer „blöd“ von der Seite an, „latscht“ einfach so in meinen Garten, ohne sich um meinen Gartenzaun, um meine persönlichen Grenzen zu kümmern. Und da soll man nicht in die Luft gehen? Ursache aller Konflikte ist die Grenzüberschreitung: Du bist in meinen Garten eingedrungen ohne den Gartenzaun zu beachten.
Im Tierreich ist dieser Garten tatsächlich als Revier gemeint. Evolutiv ist das Überleben einer Art durch den Selbsterhaltungstrieb gesichert. Hier geht es darum Nahrung und Fortpflanzung sicherzustellen. Das Beuterevier und der Harem werden verteidigt. Durch die Grenzüberschreitung des Reviers werden die biologischen Konfliktmechanismen Angriff oder Flucht in Gang gesetzt.
Bei uns Menschen sind die Gärten häufig mentaler Natur. Wer sich beispielsweise nach dem Examen für eine Expertin oder einen Experten in seinem Fachgebiet hält, ärgert sich, wenn ihm jemand diesen Expertenstatus abspricht. Ein beliebtes Beispiel sind Lehrer, denen die Eltern erklären wollen, wie man unterrichtet.
Die Ursache sind oft Kleinigkeiten
Manchmal sind die Gärten und Zäune nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Der Klassiker: nicht abgesprochene Aufgabenverteilung. Außenstehende reiben sich verwundert die Augen und fragen sich: „Ärger? Wegen dieser Kleinigkeit? Klärt das halt“. Tatsächlich geht es hier um den Garten namens „Ich vermisse Wertschätzung für meine Arbeit.“
Die Grenzüberschreitung liegt darin, dass der Gartenbesitzer ein anderes Verhalten erwartet hat. Da er meint, dass ihm dieses Verhalten zustehen würde, ist er gekränkt. Und das Schlimme daran ist, dass es „nur“ eine Kleinigkeit ist. Dahinter steckt: „Ich weiß schon, dass es eine Kleinigkeit ist, aber du tust die Kleinigkeit nicht für mich, obwohl du weißt, dass sie mir wichtig ist.“ Dazu kommt, dass viele Grenzüberschreitungen gar nicht böse gemeint sind. Manchmal trifft es einen selbst, wenn man feststellt, dass man schon mitten im Garten des Anderen steht: „Da wollte ich doch wirklich nicht hin“.
Aber: manche Menschen steigen mit vollem Bewusstsein über den Gartenzaun und latschen im Blumenbeet auf den jungen Trieben herum, sie setzen das taktisch ein, um zu streiten oder andere aus der Fassung zu bringen.
Konflikte gehören zum Leben
Konflikte gehören zum Leben, denn wir haben alle unterschiedlich gestaltete Gärten mit den unterschiedlichsten Zäunen. Wenn ein „Orchideenzüchter“ auf einen „Kartoffelbauern“ trifft, dann kracht es schon mal.
Flucht oder Angriff
Es gibt mehrere Möglichkeiten, mit Grenzüberschreitungen umzugehen. Flucht ist eine unserer ursprünglichen Konfliktlösungsstrategien. Wenn etwas gefährlich wird, dann lieber rauf auf den Apfelbaum. Auch heute noch eine instinkthafte Reaktion, wobei die Flucht in moderner Form auch durch Verleugnen eines Konflikts, auf die lange Bank schieben, Rechtfertigungen oder Ausflüchte auftritt. Oder eben der Angriff. Der Kampf um die richtige Formulierung im Text, unterschiedliche Ordnerstrukturen, und am Schluss geht es nicht mehr um die Sache oder eine Lösung, sondern nur noch darum, wer Recht hat und wer schuld ist.
Miteinander reden
Der Nachteil von Flucht und Angriff ist, dass keine wirkliche Veränderung stattfindet. Der Konflikt schwelt weiter. Lösung? Fehlanzeige! Da ist es schon hilfreicher miteinander zu reden. Aber nicht irgendwie, sondern so, dass nicht zu viel Gartenfläche dabei zertrampelt wird. Und bitte: Weisen Sie nicht erst am Jahresende gesammelt auf die Grenzüberschreitungen hin. Nichts ist so nervig, wie Konflikte „horten“ und dann alle auf einen Schwung zu präsentieren.
Drei hilfreiche Schritte und ein Vorabschritt
Drei Schritte sind für ein lösungsorientiertes Konfliktgespräch hilfreich.
Vorab Schritt:
Klären Sie die Grenzüberschreitung sobald wie möglich.
1. Schritt:
Schildern Sie nur die eigene Beobachtung. Und eben nicht - wie so oft – die Interpretation oder Bewertung. „Du bist unmöglich“ ist keine Beobachtung, sondern eine Bewertung, die den anderen ganz schnell auf den nächsten Apfelbaum treibt. Es ist eine Kunst, wenn uns etwas stört, unsere Beobachtung dem anderen ohne Bewertung mitzuteilen. Aber diese Kunst ist erlernbar.
2. Schritt:
Teilen Sie dem Gartenzaunüberschreiter mit, was diese Beobachtung bei Ihnen auslöst, was Ihnen wirklich wichtig ist, z. B. Ärger, Verwirrung, usw.
3. Schritt:
Formulieren Sie eine klare Bitte oder ein Ziel, abhängig von der Beziehung zum Andern. Holen Sie sich am besten von Ihrem Gegenüber ein OK ab: „Passt das für Dich?“ oder „Ist das OK?“
Der humorvolle Blick bei Konflikten
Humor ja, aber alle Formen von herabsetzendem Humor verhindern lösungsorientierte Gespräche. Mit einem sarkastischen Satz den Anderen blöd dastehen lassen, verschafft für den Moment Genugtuung. Aber wer auf Kosten seines Gegenübers lacht, zeigt, dass er dessen Werte nicht ernst nimmt und schon wieder im Garten des Anderen herumtrampelt.
Humor ist ein starkes Heilmittel für beschädigte Gärten, vor allem für den eigenen Garten. Humor ermöglicht neue Sichtweisen, wenn wir uns nicht so wichtig nehmen und die Fähigkeit haben, über uns selbst zu lachen. Dann reagieren wir kreativ und mit einer inneren Leichtigkeit.
Nicht jeder hat Lust Gespräche auf diese Weise zu führen: „Das kostet zu viel Zeit, warum soll ich mich um ein gutes Gespräch bemühen, der andere hat doch meinen Gartenzaun missachtet“. Ja, stimmt alles, aber wenn wir darauf warten, dass die anderen sich bewegen geben wir unsere Handlungsfähigkeit ab. Handlungsfähig bleiben wir – gerade bei Kleinigkeiten – wenn wir humorvoll mit uns und anderen umgehen. Dann müssten wir viel seltener jemand mit Geschrei aus unserem Garten vertreiben. Ein bisschen guter Wille, etwas Wertschätzung für uns und andere und ein humorvoller Blick auf Gärten und Gartenzäune –wie behaglich ließe es sich dann in unseren Gärten leben.