Ommmm. Meditieren geht über Studieren
Meditation für Studenten –
was bringt’s?
Die Gedanken fliegen mal hier und mal dort hin, verweilen nicht lange, ich muss noch Essen einkaufen, Bücher in die Bibliothek bringen, meine Oma anrufen, Wohnung putzen, Überweisungen machen und die Gliederung für die nächste Hausarbeit erstellen. Kino wäre auch mal wieder gut, doch wo fange ich nur an, was ist eigentlich sinnvoll und kann ich mich gerade überhaupt konzentrieren? Ich glaube ich brauche erst einen Kaffee. Aber eigentlich bin ich schon aufgedreht. Tolle Wurst. Was nun?
Die Lehre des Zen rät in diesen Momenten „Lebe ganz im Augenblick, sei präsent in der Gegenwart, der jetzige Moment ist alles, was du hast. Es ist immer nur Jetzt. Jetzt. Jetzt. Jetzt. …“. Eine schlichte und dennoch tiefgreifende Wahrheit, wenn man sich das Ausmaß der Bedeutung bewusst macht. Unsere Gedanken verweilen so oft in der Vergangenheit oder wir grübeln über die Zukunft – und verpassen dabei so leicht die Gegenwart.
Diese Erkenntnis haben schon junge Leute, und auch das YOLO-Motto („You only live once) der Hipster-Jugend besagt eigentlich das Gleiche: Lebe jetzt und intensiv. Das breitet sich seit Jahren in der Gesellschaft aus: Immer mehr Menschen beschäftigen sich mit ehemals spirituellen Themen wie Entspannung, Meditation, Achtsamkeit und innerem Frieden. In Amerika ist das schon in der breiten Masse angekommen, auch Musiker, Schauspieler, Models und Stars wie Oprah Winfrey sprechen offen über ihre tägliche „spiritual practise“. Aber Europa holt auf. Mittlerweile gibt es auch bei uns Meditation für Manager, Business-Yoga und Achtsamkeits-Kurse an der Uni.
Was ist Meditation?
Meditation ist von Natur aus keine spirituelle Sitzung mit Salzkristalllampe, Yogahose, Räucherstäbchen und indischen Mantra-Gesängen. Meditare, aus dem Lateinischen kommend, bedeutet „nachdenken, nachsinnen“ – wobei es beim Meditieren nicht um das Denken als kognitive Leistung geht, sondern eher um das Sinnen, Fühlen, Loslassen. Im Kern handelt es sich darum, die Gedanken kommen und gehen zu lassen, sich nicht daran festzuhalten und nicht zu bewerten. Meditieren ist überkonfessionell und hat nichts mit Religion oder einer Philosophie zu tun.
Es gibt verschiedene Formen der Meditation, zum Beispiel Phantasiereisen, also geführte Meditationen, bei denen man durch eine imaginäre Landschaft reist. Aber auch ein bewusster Waldspaziergang, das Betrachten des Meeres, eines Gegenstandes, der Natur oder gar das Lesen eines Textes kann meditativ sein. Yoga ist auch eine Form der Meditation, die allerdings den Körper aktiv mit einbezieht und gut als Einstieg geeignet ist, wenn die pure Stille noch zu viel ist.
Wie funktioniert’s?
Zu allen Meditations- und Achtsamkeits-Übungen gibt es Kurse, die unter Anleitung eines Experten einen guten Einstieg bieten. Wer noch keine Erfahrung mit Meditation gemacht hat, wird hier an die Hand genommen, bekommt Erklärungen und Hilfestellungen, um sie auch im Alltag eigenständig durchführen zu können.
Je nachdem, wie leicht oder schwer es jemandem fällt, ohne äußere Impulse auszukommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, zu starten: Yoga kann man als Form der Bewegungsmeditation verstehen. Ruhige Körperübungen, die man langsam und bewusst ausführt (oder auch mal schnell beim Power-Yoga), ganz in der Gegenwart und gedanklich nur bei dem ist, was man gerade tut.
Wem das zu viel ist, der kann auch mit einer geführten Meditation oder Phantasiereise starten. Klingt vielleicht erst mal ungewohnt, aber einer sympathischen Stimme zu lauschen, wie sie einen in Gedanken über eine Sommerwiese oder an einen Meeresstrand führt, ist unglaublich entspannend.
Eine weitere Form der Achtsamkeitsübung, die auch oft zur Stressreduktion eingesetzt wird, bietet die progressive Muskelentspannung. Live oder vom Band wird man von einem Trainer von den Füßen bis zu den Händen einmal durch den gesamten Körper geführt und spannt einzelne Muskelgruppen erst sehr stark an, dann löst man die Anspannung. Auch das holt einen unmittelbar in die Realität. Und lässt den Körper spüren, was in ihm vorgeht – eine eigentlich natürliche Sache, die uns heutzutage oft abhandengekommen ist. Weil wir häufig so sehr in Gedanken festhängen, dass das Fühlen nur wenig Raum hat. Sei es das bewusste Erleben der eigenen Gefühle oder des eigenen Körpers.
Zazen – die Königsdisziplin
Diese Form, das Sitzen in Stille, ist vielleicht die einfachste und dennoch herausforderndste Praxis. Denn einfach bedeutet nicht gleich leicht. Starten kann man damit, sich einfach mal auf eine Parkbank zu setzen – in einem ruhigen Park natürlich, nicht in der Grüninsel in der Innenstadt – und nichts tun. Still sitzen, die Augen schließen, den Atem beobachten, die aufkommenden Gedanken ziehen lassen…
Das Meditieren in der Zen-Tradition wird in einem ruhigen Raum, bei halb geöffneten Augen durchgeführt, in dem man einen Punkt auf dem Boden vor sich locker fixiert – so ist man präsenter als mit geschlossenen Augen, also mitten im Alltag und im Geschehen, aber trotzdem ganz bei sich. Die Haltung kann gerade auf einem Stuhl oder auf einem Meditationskissen sitzend sein. Am Anfang ist es fast zum Verzweifeln, wenn man sich des Gedankenstroms bewusst wird, der wie eine Horde Affen im Kopf umher springt. Aber mit der Zeit stellen sich Ruhe und Zufriedenheit ein, wenn man lernt, loszulassen.
Der spirituelle Lehrer Wiligis Jäger spricht gar von „der Stille hinter der Stille“, die man dadurch erfahren kann. Wer sich intensiver auf Meditation einlässt, versteht vielleicht sogar, was er damit meint. Wenn man an diesem Punkt angelangt ist, geht es nicht mehr darum, zu meditieren, um von etwas loszukommen. Sondern um zu sich selbst zu kommen, bei und mit sich zu sein.
Was bringt’s?
Entspannung, Verlangsamung des Gedankenstroms, Besinnung, Bewusstheit, Achtsamkeit, Präsenz.
Und das sind ja nicht nur für Studenten hilfreiche Auswirkungen. Jeder kann davon profitieren, in unserem oft hektischen, vielbeschäftigten, digitalen Alltag.
Regelmäßiges Meditieren hilft außerdem dabei, aufmerksam mit sich selbst umzugehen, sich besser kennenzulernen und zu merken, was in einem vorgeht. So kann Stress gar nicht erst aufkommen oder wird nicht so groß. Und in hektischen Phasen hat man ein Tool, um wieder zu sich selbst und runterzukommen. Hilft vor und nach jeder auch nur irgendwie aufregenden oder anstrengenden Aktion. Und sitzen, atmen und zu sich selbst kommen kann man überall: in der U-Bahn, im Hörsaal, beim Arzt, in einem Meeting oder am Schreibtisch. #noexcuses.
Anna Petrig, Deutsche Bildung AG