In den vergangenen Monaten hatten wir alle ein inneres Sportprogramm im Umgang mit Veränderungen. Im besten Fall konnten wir dabei unseren Resilienz-Muskel trainieren. Das ist der Seelen-Mechanismus, der uns wieder aufstehen lässt, wenn wir auf die Nase gefallen sind, unser inneres Steh-auf-Männchen oder -Mädchen.
Veränderungen begegnen uns immer wieder, auch wenn wir zielgerichtet und mit Plan unterwegs sind. Vielleicht fällt es gerade dann schwer, von außen kommende Veränderungen anzunehmen, wenn wir selbst sehr zielorientiert sind. Hier ist unsere Flexibilität gefragt. Um es mit Darwin zu sagen: Es sind die anpassungsfähigsten, die am erfolgreichsten sein werden.
Wie also können wir mit Veränderungen umgehen, die wir nicht selbst herbeigeführt haben? Und wie können wir Veränderungen angehen, die wir selbst gern sehen würden?
1. Veränderungen folgen natürlichen Rhythmen
Von Naturkatastrophen und globalen Pandemien einmal abgesehen, folgen Veränderungen gewissen natürlichen Rhythmen. Die neue Chefin, der neue Professor werden neue Akzente setzen und Veränderungen einleiten. Neue Mitglieder im Team haben andere Arbeitsweisen, Ansichten und Gewohnheiten. Das Team muss sich neu zusammenfinden und ein neues Miteinander etablieren.
Fragen Sie sich also: Sind Sie wirklich überrascht? Oder haben Sie geahnt, dass es Änderungen geben wird? Ist es vielleicht eine naturgemäße Folge, dass ein neuer Vorstand, eine neue Dekanin andere Ziele ausgeben werden als die Vorgänger? In manchen Spielsituationen hat man nur noch eine Möglichkeit – die Frage: „Welchen Move mache ich jetzt?“ stellt sich also gar nicht. Dann heißt es durchatmen und den einen Move machen. Im übertragenen SInne: die neuen Gegebenheiten als Rahmenbedingungen akzeptieren und eine neue Strategie entwickeln, um die eigenen Ziele zu erreichen.
2. Sie können nur verändern, was in Ihrem Einflussbereich liegt
Der chinesische Stratege Sunzi sagte vor rund 2500 Jahren: „Kämpfe nur eine Schlacht, die Du auch gewinnen kannst.“ Übertragen auf das Leben heißt das: Setzen Sie Ihre Kräfte nur dann ein, wenn Sie damit auch ein Ergebnis erreichen können. Wählen Sie klug aus, wofür Sie Ihre Energie einsetzen.
Das soll nicht heißen, dass Sie alle äußeren Faktoren einfach als gegeben ansehen sollen. Sonst würden wir keine Reformen, Revolutionen und Entwicklungen mehr sehen.
Fragen Sie sich: Was kann ich ändern? Worauf kann ich Einfluss nehmen? Und welchen Kampf fechte ich jetzt nicht aus?
3. Sie müssen bereit sein, loszulassen
Abschied nehmen tut weh. Die lang geplante Reise nach Südamerika – futsch wegen Lockdown. Die gemeinsame Abschiedsparty nach vier Jahren Uni – nicht möglich. Das gemeinsame Wochenende im Ausland – geplatzt. Es tut weh, wenn Träume platzen. Dieser Schmerz braucht Anerkennung, er geht nicht einfach von allein weg. Jeder Versuch, Gefühle zu ignorieren, führt dazu, dass sie sich auf andere Weise Bahn brechen, das ist eine Grunderkenntnis der Psychologie.
Wir tun unglaublich viel, um nicht zu spüren, wie weh etwas tut. Dabei können wir erst dann loslassen, wenn wir den Schmerz spüren, uns dem stellen, was uns bewegt. Tagebuch schreiben oder mit einem guten Freund darüber sprechen hilft. Ein kleines Ritual durchführen, um den Traum und den Abschied zu honorieren. Dabei können Sie den Traum auf andere Weise würdigen, zum Beispiel mit einem Scrapbook über die geplante Südamerika-Reise. Oder Sie zelebrieren ein Loslass-Ritual und lassen symbolisch Ihre schmerzlichen Gefühle los. Dazu schreiben Sie sie auf kleine Zettel, die Sie dann rituell verbrennen. Oder Sie schreiben sie auf kleine Steine, die Sie als symbolischen Akt in einen Fluss oder See werfen.
4. Veränderungen fordern Vertrauen
Um mit Veränderungen umzugehen, brauchen wir Vertrauen. Vertrauen in den Fluss des Lebens, dass diese aktuelle Situation nicht für immer anhalten wird. Vertrauen in uns selbst, dass wir einen Weg finden werden. Dabei sehen wir oft den Weg in eine bessere Zukunft nicht, wenn wir mitten im Nebel stehen. Da hilft nur, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ganz vorsichtig und voll Vertrauen. Der Weg entsteht nicht davon, dass wir uns den Nebel wegwünschen. Der Weg entsteht beim Gehen, einen Schritt nach dem anderen.
Die Unterstützung von guten Freunden, Familie oder Vertrauten hilft. Gefühle und Unsicherheiten teilen, mit anderen sprechen, merken: „Ich bin nicht allein.“ Selbst die Glücksmenschen, die immer das Positive sehen, haben ihre Täler. Jeder und jede von uns sucht ab und zu sein inneres Licht. Je besser Sie sich selbst kennen, und je mehr Übung Sie haben, umso schneller werden Sie Ihr Licht auch in schwierigen Situationen wiederfinden.
Pläne helfen, denn sie geben uns Perspektive. Selbst wenn Sie Ihren Plan nur für zwei Schritte umsetzen und dann einen neuen Plan machen, sind Sie schon zwei Schritte weiter. Wenn Sie beginnen, Pläne zu schmieden, sind Sie innerlich schon aus der Talsohle draussen.
5. Veränderungen sind eine Frage der Einstellung
In letzter Instanz geht es um die Frage, ob wir als Opfer der Umstände durchs Leben gehen, oder ob wir aktiv unseren Weg gestalten. Klar hilft es auch mal, der besten Freundin oder dem besten Freund vorzujammern, wie schrecklich alles ist. Gefühle müssen raus, und wenn wir bei unseren besten Freunden nicht zeigen können, wie wir uns wirklich fühlen, dann spricht das nicht gerade für unsere Freundschaft. Aber irgendwann muss Schluss sein mit Jammern. Irgendwann muss es im Inneren einen Punkt geben, an dem wir sagen: „Schluss jetzt! Ich kann mich selbst nicht mehr leiden mit dieser Jammerei!“
Der Weg dahin ist bei jedem unterschiedlich lang. Und in manchen Kreisen gilt es auch als schick zu jammern. Achten Sie auf sich und Ihre Energie. Ab wann kippt es innerlich? Bis wohin tut das Jammern gut, als Ventil zum Rauslassen? Und ab wann geht es ins Zetern über, das keinen Zweck mehr verfolgt, außer alles und jeden zu beklagen, der Sie in diese Situation gebracht hat?
Das ist der Punkt, an dem Sie aussteigen und Ihre Energie in positive Richtungen lenken können. Hier wird Tatkraft lebendig, jetzt geht es nicht mehr ums Trauern und Loslassen, sondern ums Umlenken der aufbrausenden Zeter-Energie in den Start sinnvollen Handelns.
6. Veränderungen geschehen nicht über Nacht
„Und über Nacht war alles anders.“ Das gilt vielleicht bei Liebe auf den ersten Blick. Aber im beruflichen Kontext und in der Persönlichkeitsentwicklung sind Big-Bang-Transformationen ein Mythos. Veränderungen bahnen sich an, Sie beginnen etwas Neues, planen, setzen Ziele, erleben Hürden und Hindernisse, brechen ab, starten neu, experimentieren, probieren und finden schließlich einen Weg. Und erst wenn Sie eine Weile auf diesem Weg gegangen sind, erkennen Sie: Oh, jetzt funktioniert es! Jetzt ist es anders. Fortschritt erkennen wir erst im Rückblick.
Innere Prozesse brauchen Zeit. Nehmen Sie sich diese Zeit, und vor allem geben Sie sich selbst diese Zeit. Gestehen Sie sich zu, dass nicht alles sofort, perfekt und auf einmal funktioniert.
7. Veränderungen gelingen am besten, wenn sie vier Elemente beinhalten
Zu einer gelungenen Veränderung gehört, dass Sie auf allen Ebenen dabei sind. Das sehen wir auch immer wieder in Unternehmen: Wenn Mitarbeiter emotional nicht dahinterstehen, werden neue Prozesse nicht gelebt. Wenn Bedenken nicht gehört werden, nützt auch das schönste Motivationsposter nichts.
Wenn Sie eine Veränderung angehen wollen, fragen Sie sich:
- Bin ich überzeugt davon?
- Fühle ich mich gut dabei, diese Veränderung anzugehen (obwohl ich vielleicht unsicher bin, ob ich es schaffe)?
- Sehe ich den Sinn darin, weiß ich, warum und wofür ich das ändern will?
- Spüre ich die Energie, mit der Umsetzung zu beginnen? Habe ich die Strukturen geschaffen, die ich brauche, um diese Veränderung durchzuführen?