Feindbild Nummer 1:
Lampenfieber
Wer vor anderen reden möchte, hat als Feindbild Nummer eins: das Lampenfieber. Niemand steht gerne mit weichen Knien, zittriger Stimme und Blackout in der Prüfung, vor Mitstudenten oder bei einem Bewerbungsgespräch. Daher wird das Lampenfieber mit allen Tipps und Tricks bekämpft, die der Markt so zu bieten.
Doch Vorsicht:
- Sie kämpfen gegen sich selbst.
- Sie geben dem kleinen Lampenfieber viel zu viel Macht.
- Sie ignorieren die positive Seite des Lampenfiebers.
Lampenfieber bedeutet Energie. Wenn Sie diese bekämpfen, dann fehlt Ihnen Präsenz. Es geht also nicht darum, das Lampenfieber komplett loszuwerden, sondern entspannter damit umzugehen. Einmal hatte ich eine Moderatorin bei mir im Training, die so viel Lampenfieber hatte, dass sie auf der Bühne ihren Text vergass. Ich gab ihr einen Tipp, um damit leichter klar zu kommen und bei der nächsten Moderation, war sie so entspannt, dass sie auf der Bühne zu wenig Energie und Präsenz hatte. Also haben wir danach dann an einer Präsenzübung gearbeitet, damit sie wieder wahrgenommen wird.
Was hilft wirklich?
- Ausatmung! Lampenfieber ist eine Form von Hyperventilation. Vor jeder Aufgabe atmen wir nämlich ein. Wenn ich Ihnen sage, dass Sie mal eben nach vorne kommen und sich ein Zeugnis abholen sollen, dann ist dies nicht so schlimm. Sie bekommen die Aufgabe, atmen ein und handeln sofort, indem Sie nach vorne gehen. Wenn Sie allerdings ein Referat halten oder eine mündliche Prüfung vor sich haben, dann beschäftigen Sie sich gedanklich schon Stunden vorher mit der Aufgabe. Und Ihr Körper macht das einzig richtige: Er sorgt für Kraft und Energie, indem er Sie einatmen lässt. Worauf er weniger achtet ist die Ausatmung. Dadurch atmen Sie latent viel zu viel ein. Dies führt häufig dazu, dass wir kurz vor der Prüfung das Gefühl haben zu ersticken. Nein. Ersticken werden Sie nicht. Ganz im Gegenteil: Ihre Lunge ist schon voll. Bei manchen fühlt sich der Brustkorb dann an wie Beton. Aus demselben Grund: Die Lunge ist schon voll. Konzentrieren Sie sich somit auf die Ausatmung. Atmen Sie so lange aus, bis Sie das Gefühl haben, dass die Lunge leer ist. Nur kurz einatmen und wieder ganz lange ausatmen. Dies wiederholen Sie drei bis vier Mal. Dann haben Sie zwar immer noch Respekt vor der Prüfung oder dem Referat und somit viel Energie im Körper, aber die Stimme zittert nicht mehr, der Körper auch nicht und die Gedanken sortieren sich wieder in die auswendig gelernten Bahnen.
- Stellen Sie sich einen Gospelchor vor, der nur Ihnen gehört. Dieses Bild ist von dem Autor und NLP-Trainer Marc A. Pletzer. Dieser Gospelchor gibt Ihnen Rückendeckung. Stellen Sie sich genau vor, wie dieser Gospelchor aussieht. Wie viele Personen sind es? Welche Hautfarbe? Männer oder Frauen? Was haben sie an? Und genau dieser Gospelchor steht dann hinter Ihnen, wenn Sie noch sitzen. Er steht mit Ihnen gemeinsam auf, wenn Sie nach vorne gehen und er steht geschlossenen hinter Ihnen, wenn Sie vor den Prüfern oder Mitstudenten stehen. Wenn Sie reden, ist er leise, aber wenn Sie eine Pause machen, singt er hinter Ihnen „Oh happy day!“. Ich kenne einige Damen und Herren aus der Geschäftswelt, die ohne Gospelchor nicht mehr auf die Bühne gehen. Denn er sorgt - neben der Lampenfieberbekämpfung - dafür, dass Sie ein paar Pausen machen. Sowohl am Anfang, als auch während Ihres Referats und am Ende. Pausen sind mit das wichtigste bei einem Referat, weil die Zuhörer in der Zeit über Ihre Inhalte nachdenken können und Sie dadurch Struktur in die Inhalte bringen - und selbst überlegen können, was Sie wohl als nächstes sagen wollen, während der Gospelchor fröhlich hinter Ihnen singt.
- Akzeptieren Sie den IST-Zustand und nehmen Sie es mit Humor. Wenn bei einem Gruselfilm auf einmal das Licht angehen würde, wäre es weniger spannend. Alles, was wir uns nicht so genau anschauen, alles diffuse, ist unheimlich. Daher wäre es schlau, sich genau anzuschauen, was gerade bei und mit Ihnen passiert. Haben Sie keine Angst vor der Angst. Was passiert genau? Ihre Beine schlottern. Gut. Damit können Sie leben. Was noch? Die Stimme zittert? Okay. Daran stirbt auch niemand. Der Kopf ist leer. Das würde zu einer schlechten Note führen, ist also unangenehm, dennoch kein Weltuntergang. Je mehr Sie sich alles anschauen und annehmen und vielleicht sogar darüber lachen können, desto schneller hört das Zittern und Schlottern und der Blackout auf. Grinsen Sie innerlich darüber, wie lustig es wohl aussieht, wenn die Beine so wackeln. Machen Sie sich einen Spaß daraus, dass Sie die erste Studentin bzw. der erste Student sein werden, der wegen seines Blackouts kein einziges Wort sagen wird.
- Arbeiten Sie mit folgendem hypnotischen Sprachmuster: „Wie würde es sich anfühlen, wenn ...“. Häufig wird positives Denken eingesetzt bei Lampenfieber. Nur ist unser Bewusstsein meistens zu schlau für Sprüche wie: „Stell dir alle nackt vor.“ Denn Sie wissen genau, dass in diesem Moment niemand nackt ist. Nutzen Sie daher lieber einen mentalen Umweg über ein hypnotisches Sprachmuster, das Wunder bewirkt: Denken Sie sich „Wie würde es sich anfühlen, wenn ich Spaß daran hätte, dieses Referat zu halten.“ Ihr Kopf wird sofort mit „Habe ich aber nicht!“ reagieren. Das akzeptieren Sie. Denken Sie sich daraufhin: „Das ist okay. Aber wie würde es sich anfühlen, WENN ich Spaß daran hätte, dieses Referat zu halten.“ Manchmal braucht es vier Wiederholungen. Was dann bleibt ist ein klarer Arbeitsauftrag. Denn Ihr Gehirn kann erst entscheiden, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn es dies ausprobiert und umsetzt.
Fazit: Fast jeder hat Lampenfieber. Selbst der große Schauspieler Maximilian Schell hatte bei seinen letzten Auftritten noch Lampenfieber. Und er sagte, dass er dann mit dem ersten Satz diese Energie den Leuten um die Ohren haut. Lampenfieber zeigt, dass Sie Respekt haben. Respekt davor, dass Sie Ihre Zuhörer nicht langweilen.
Lampenfieber = Respekt und Energie!