
Schon mal gehört, dass Ihnen in der Mensa, in der WG oder am Campus jemand was von hoher Arbeitsbelastung, „es wird alles teurer“, „krieg keinen Praktikumsplatz“ oder „es nervt, dass ich nach 2 Monaten noch nicht mal eine Antwort auf meine Bewerbung habe“, erzählt? Von der Unsicherheit, was die Zukunft bringt, ganz zu schweigen.
Klar – Menschen sind unterschiedlich, jeder macht individuelle Erfahrungen und hat andere Herausforderungen, und was die eine Person nervt, lässt die andere kalt. Aber wahrscheinlich kennen Sie alle jemanden, von dem sie denken: „Liebe Güte, der wird noch Weltmeister im Rumjammern.“ Sie hören so eine klitzekleine Stimme im Kopf: „Jetzt hör doch mal auf zu jammern“, „nicht schon wieder die alte Leier“ oder „nur jammern und mit nix zufrieden?“
Das soll hier kein Plädoyer sein, dass Sie als Studentin und Student alle Zumutungen klaglos über sich ergehen lassen. Ganz im Gegenteil. Wer mit Motivation und Spaß bei der Sache ist, der muss sich manchmal ereifern. Wer schlecht behandelt wird oder wem Dinge passieren, die einem im Magen liegen, dann sollte man das nicht in stiller Demut über sich ergehen lassen.
Aber….. ist das immer Jammern? Nur weil jemand wortreich seiner Unzufriedenheit Ausdruck gibt? Na ja, kann auch was anderes sein. Denn es gibt einen Riesenunterschied zwischen Jammern und Klagen. Oft kann man den Unterschied nicht sofort entdecken. Klagen und Jammern, diese beiden Formen menschlichen Bedauerns lassen sich oft schwer unterscheiden. Denn beide äußern sich über eine unbefriedigende Situation, beide erzählen Trauriges oder Unerfreuliches.
Um den Unterschied klarer zu machen, vergleiche ich Jammern und Klagen gerne mit zwei verschiedenen Orten: dem Jammersumpf und dem Klage-Spa.
Im Jammersumpf steckt man fest, man sinkt ein in einen Morast aus Genervtsein, Enttäuschung, Verdruss und Resignation. Und dann noch gemeinsam jammern, sich im Schlammbad des vereinten Jammers wärmen, nach dem Motto: „Zusammen ist man weniger allein.“ So wird eben miteinander geschimpft, gejammerjodelt und sich in eine gerechte Empörung geredet. Beschwert wird sich über alles, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist. Alles Deppen, alles könnte man besser, nur dürfen darf man nie.
Das Problem ist: Der Jammersumpf hilft. Nicht auf lange Sicht, aber kurzfristig verschafft er Linderung. Und deswegen übt er eine solche Anziehungskraft aus. Es hat eine befreiende Wirkung, seinem Ärger oder seiner Ernüchterung auf diese Weise Luft zu machen, und mit Gleichgesinnten schimpft es sich gleich viel leichter.
Und ist das alles so schlimm? Wenn es den Menschen doch gut tut, sie erleichtert? Wenn das Jammern doch zumindest kurzfristig hilft? Doch, doch, doch, es ist schlimm. Weil es an der belastenden Situation absolut gar nichts ändert, ja diese sogar verfestigt. Jammersumpfaufenthalte kosten Zeit und führen nirgendwo hin. Wir verwenden ja auch Redewendungen wie „wir stecken fest“, wenn nichts vorwärts geht. Zufriedenheit bei kleinen Zielen, Fokus auf Positives oder Chancen ergreifen gibt es im Jammersumpf nicht. Und noch schlimmer: Der Jammersumpf wird mit einer Fangopackung verwechselt.
Aber die wirklich hilfreiche Fangopackung gibt es im Klage-Spa. Im Unterschied zum Jammern verfolgt Klagen ein Ziel. Klagen ist ein lösungsorientiertes Gesprächsritual und ein bewährtes System, seiner Ernüchterung Luft zu machen, um dann an den Ursachen oder an Lösungen zu arbeiten. Klagen entlastet. Nicht umsonst gibt es in fast allen Weltreligionen ritualisierte Möglichkeiten zum Klagen. „Ich erzähle dir meine Sorgen, aber lösen tu ich sie alleine“, das ist das Prinzip des Klagens. Das Prinzip des Jammerns läuft auf das Motto hinaus: „Ich bin so arm dran – ach wie schrecklich.“ Und den Mitmenschen wird dasselbe Problem gerne über Jahre hinweg vorgejammert. Bloß nix ändern, dann wäre ja Schluss mit dem Jammern.
Den Unterschied kennen die meisten. Wenn jemand klagt, dann fühlen wir mit diesem Menschen. Wenn jemand jammert, geht uns das spätestens bei der dritten Einladung in den Jammersumpf tierisch auf den Nerv.
Ein Klage-Spa entlastet und entspannt, denn Klagen ist ein Gesprächsritual, in dem durch gegenseitiges Bedauern Gemeinsamkeit hergestellt wird. Klagen testet auch, wie nahe mir die andere Person ist. Es ist ein Wunsch nach Zuwendung, möglicherweise werden Tipps erwartet, aber das Problem wird danach selbst gelöst. „Ich wollte es dir nur erzählen, du sollst doch nichts unternehmen“, ist ein Satz, der zeigt, dass der Wunsch nach Zuwendung, der „Nähe-Test“ hinter dem Klage-Ritual nicht erkannt wurde.
Im günstigsten Fall wird beim Klagen festgestellt, dass beide ganz normale Menschen sind, beide Schwierigkeiten haben und nicht alles perfekt machen, aber dennoch etwas machen. Nach dem Klagen ins Tun kommen. Gemeinsames Klagen verbindet ungemein, schafft die gewünschte Nähe und öffnet Handlungsmöglichkeiten. Erst entlasten, dann lösen.
Dazu ist das Klage-Spa tatsächlich gesund. In einer interessanten Untersuchung der Universität Hamburg gaben 63% der Befragten auf die Frage: „Was half Ihnen, diese existenzielle Krise durchzustehen?“, an, dass Gespräche hilfreich waren. 59% führten an, dass Gespräche helfen, schwierige Probleme im Alltagsstress zu bewältigen. Und auf die Frage: „Was fördert sorgenvolles belastendes Grübeln und negative Gedanken?“ meinten 31%: „Wenn ich mit niemanden reden kann, wenn ich allein bin.“ Also ein Plädoyer für den Klage-Spa.
Wer bei Krisen jemanden findet, dem er sein Herz ausschütten kann, fühlt sich ernst genommen, von der anderen Person verstanden, sieht die Lage klarer und wird zuversichtlicher. Das funktioniert beim Klagen allerdings nur, wenn die andere Person aufmerksam zuhört, ohne zu bewerten. Es braucht einen offenen, sprich neugierigen, Menschen.
Also: Nicht alles, was wir auf dem Herzen haben und einer anderen Person erzählen, ist Jammern. Achten Sie auf Ihrem Weg auf Jammerpfützen und stolpern Sie nicht unachtsam hinein. Denn aus manchen Pfützen werden veritable Jammersümpfe. Und um die machen Sie lieber einen Bogen. Und gönnen Sie sich ab und zu ein Klage-Spa mit aufmerksamen Menschen. Das ist einfach gut für Ihre Gesundheit.