Wir jammern. Viel zu viel. Ständig.
Dazu zähle ich auch mich selbst.
Deshalb war ich umso beeindruckter, als ich vor einiger Zeit von meinem Chef folgenden Artikel zugeschickt bekam: Aktion: „Belgien beschließt, 30 Tage meckerfrei zu sein.“
Die Belgier starten die Aktion, 30 Tage nicht zu meckern und zu jammern („30 Dagen Zonder Klagen“, Die Zeit). Die Teilnehmer dieser Aktion bewerten in einem sogenannten „Glücksformular“ ihren momentanen Glückszustand. Am Ende des Monats können sich die Probanden dann ein Bild davon machen, was sich in ihrem Leben im „meckerfreien Monat“ verändert hat. Die Idee für diese Aktion stammt von Greet van Hecke, einer belgischen Wellness-Expertin. Ihrer Meinung nach gibt es eine Verbindung zwischen der persönlichen positiven Einstellung und der eigenen Gesundheit, für uns und unser Umfeld.
Denn: Unsere Gefühle und unsere Launen sind ansteckend. Wir meckern und jammern, um Stress abzubauen, und merken dabei oft nicht, dass wir damit auch unsere Mitmenschen beeinflussen, die allgemeine Stimmung runterziehen und vielleicht auch andere mit unserem Verhalten dazu animieren, mitzumachen. Gleichzeitig schaden wir damit auch unserer Gesundheit. Eine Studie des belgischen Gesundheitsministeriums zeigt, dass wir durch das Schimpfen und Jammern das Stresshormon Cortisol freisetzen, was zur Folge hat, dass das Risiko eines Herzinfarktes ansteigt.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Jammern bringt uns nicht weiter. Ein prägendes Vier-Augen-Gespräch aus meiner Ausbildungszeit hat mich gelehrt innezuhalten, bevor ich mit dem Maulen anfange ...
Innehalten!
Als Mitarbeiterin war ich verpflichtet monatlich einen Verbesserungsvorschlag abzugeben. Über diese Aufgabe war ich nicht glücklich, weil ich mich schlichtweg überfordert fühlte. Also fing ich an, jeden Monat, kurz vor Abgabe des Verbesserungsvorschlages, zu jammern. Ich meckerte darüber, dass mir nichts einfiele, dass ich nicht kreativ genug für diese Aufgabe sei, und stellte darüber lautstark in Frage, warum wir überhaupt Verbesserungsvorschläge abgeben mussten. Mein permanentes Jammern entging meiner damaligen Führungskraft nicht. So kam es zum Vier-Augen-Gespräch und folgender Satz hat meine Haltung zur Aufgabe verändert – Sabine, meine damalige Chefin, sagte zu mir: „Mahsa, ich akzeptiere, wenn du dich weigerst, Verbesserungsvorschläge abzugeben. Wenn dich diese Aufgabe überfordert, dann können wir hier gerne mündlich vereinbaren, dass du das nicht mehr machen musst. Aber (!), dann möchte ich von dir kein Rumgemeckere und Rumgejammere mehr hören!“
Denn überall dort, wo du anfängst, dich über einen Arbeitsschritt, über die Uni oder über einen Prozess zu beschweren, solltest du in genau diesem Augenblick innehalten und dich fragen, was du eigentlich brauchst, was anders oder besser gemacht werden muss, um diesen Prozess zu verbessern – auch um mir die Arbeit zu erleichtern – und vor allem um das Jammern zu verhindern.
Wie ich schon sagte, dieses Gespräch war sehr prägend für mich. Denn Sie hatte vollkommen Recht. Ich habe begonnen, mich in diesem Punkt zu sensibilisieren. Bevor ich anfange zu jammern, überlege ich jetzt zuerst, ob ich selbst etwas ändern kann. Ich stelle mir die Frage: „Kann ich etwas tun, damit ich mich in Zukunft nicht mehr darüber aufrege?“ Diese Frage stelle ich mir übrigens regelmäßig. Und meistens finde ich sogar selbst eine konstruktive Antwort darauf ... und falls nicht, dann denke ich mir: change it, love it or leave it.
Vielleicht sollten wir uns den Belgiern anschließen und den Versuch starten, einen Monat jammerfrei zu leben! Mich jedenfalls haben sie überzeugt, unsere Nachbarn!