Warum neue Ideen schwer durchzusetzen sind – und wie es trotzdem klappt
Neue Ideen haben und sich mit Leidenschaft hinter die Umsetzung klemmen ist das eine – Menschen dafür zu gewinnen noch einmal etwas ganz anderes. Leider scheitern viele Innovationen genau daran: Besonders in Deutschland ist die Skepsis vor dem Neuen oft groß. Ein Beispiel aus der Wissenschaft zeigt, dass es sich lohnt, dranzubleiben.
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine gute Idee, und keiner will etwas davon wissen. Viele gute Ideen, viele potenzielle Karrieren, viele wichtige Botschaften scheitern an der rhetorischen Durchsetzung. Das liegt daran, dass die meisten Menschen zu leicht aufgeben, wenn sie auf große Widerstände treffen. Lieber lassen sie eine Idee in der Schublade, als von ihrer Community schief angesehen zu werden.
Was aber, wenn es eine gute, eine wichtige Innovation war? Was, wenn sie für immer verloren geht oder erst viel später das Licht der Welt erblickt? Was, wenn sie die Wissenschaft, unseren Blick auf die Welt, das Leben der Menschen verändern könnte?
Ideen dürfen nicht an Widerständen sterben, sondern nur an ihrer Widerlegung.
Wissenschaftler vs. Konsens
Ein Beispiel dafür ist die eindrucksvolle Geschichte von Prof. Daniel Shechtman – dem Entdecker der Quasikristalle. Das sind Moleküle, die auf atomarer Ebene Mosaike mit Mustern bilden, die sich niemals wiederholen. Ihre Entdeckung durch den israelischen Forscher veränderte 1982 das Verständnis von Feststoffen und ihrer Zusammensetzung und führte damit zu einem Paradigmenwechsel in der Chemie. Dafür wurde Shechtman mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet – allerdings nicht 1982, sondern erst 20111.
Dazwischen lagen fast zwei Jahrzehnte voller Zweifel und Anfechtungen. Zum Zeitpunkt seiner Entdeckung forschte Shechtman gerade im Zuge eines Sabbaticals an der Johns Hopkins University in Baltimore. Umgehend berichtete er seinen Kollegen dort von dem seltsamen Kristallaufbau, der zuvor noch nie beobachtet worden war. Zunächst selbst ungläubig, hatte er seine Versuchsanordnung und seine Daten bereits gründlich überprüft: Was er vor sich sah, war real2.
Doch seine Kollegen waren anderer Meinung. Sie waren von einem Fehler überzeugt und weigerten sich, Shechtmans Befund auch nur zu überprüfen. Die Kritik an ihm ging so weit, dass der Leiter seiner Forschungsgruppe ihm nahelegte, diese zu verlassen3.
Der Chemiker ließ sich nicht beirren. Zwei Jahre später konnte er seine Beobachtung bestätigen und publizierte einen Artikel, der in Fachkreisen einschlug wie eine Bombe4. Er etablierte den Begriff der Quasikristalle.
Selbst damit aber kam die Kritik an Shechtman und seiner Entdeckung nicht zum Schweigen. Zu ihrer prominentesten Stimme wurde der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling, der Shechtman den vielzitierten Vorwurf machte: „Es gibt keine Quasikristalle, nur Quasi-Wissenschaftler.“5
Shechtman gab nicht auf. Ein Jahrzehnt nach seiner Entdeckung wurde die offizielle Definition von Kristallen erweitert, um die Existenz von Quasikristallen einzuschließen. Bis zum Nobelpreis vergingen weitere neun Jahre.
Widerstände sind Argumentationsvorlagen
Was können wir aus der bemerkenswerten Hartnäckigkeit von Daniel Shechtman lernen?
Wenn Sie mit Ihren Ideen auf Widerstände stoßen, gilt es zunächst, eine Unterscheidung zu treffen: Ist der Widerstand argumentativ, also sachlich, oder affektiv bzw. emotional?
Umgang mit argumentativen Widerständen
Ist er argumentativ, gilt es, ihn zu überprüfen. Wenn die Beweisführung solide ist, müssen Sie lediglich durchhalten und sich nicht zermürben lassen.
Praktizieren Sie das Prinzip Schallplatte. Es ist erwiesen, dass die hartnäckige Wiederholung einer Aussage deren Glaubwürdigkeit stärkt. Zementieren Sie Ihre Argumente unermüdlich und fokussieren Sie sich dabei immer auf das eine oder die wenigen stärksten, anstatt immer neue aus dem Hut zu ziehen. Je mehr Argumente Sie ins Feld führen, desto einfach wird es für Zweifler, sich an den schwächeren festzubeißen.
Viele Widerstände lassen sich auch mit der „Gerade, weil“-Technik entkräften: „gerade weil die gesamte Disziplin an derselben Theorie festhält, könnte ein neuer Ansatz den Durchbruch bringen“.
Umgang mit affektiven Widerständen
Ist der Widerstand affektiv, gelten im Grunde dieselben Empfehlungen wie zuvor – mit dem Unterschied, dass es noch einen Schritt vorzuschalten gilt: Bevor Sie Ihre sachlichen Argumente vortragen können, gilt es, die Diskussion auf die Sachebene zurückzuholen.
Anfechtungen wie: „Dieser Unsinn kann doch nicht dein Ernst sein!“, lassen sich am effektivsten mit einer einfachen Fokusfrage kontern: „Worauf beziehst du dich?“
Auf diese Frage muss das Gegenüber mit einer sachlichen Beobachtung oder Tatsachenbehauptung reagieren – und damit können Sie argumentativ arbeiten.
Auf einen Blick: Tipps für die Durchsetzung neuer Ideen und Innovationen
- Viele Widerstände sind Relevanzindikatoren; betrachten Sie sie als argumentative Sprungbretter, die Sie für sich nutzen können.
- Praktizieren Sie Hartnäckigkeit: Wiederholen Sie Ihre stärksten Argumente unermüdlich nach dem Prinzip Schallplatte.
- Nutzen Sie beim Kontern die „Gerade, weil“-Strategie, um Gegenargumente auf respektvolle und konstruktiv Weise zu entkräften.