Stress war überlebensnotwendig
Stress sorgt für messerscharfe Sinne, maximale Kampf- oder Fluchtbereitschaft. Nur heute kämpfen und fliehen wir anders als unsere Vorfahren.
Der Geist läuft auf Hochtouren, der Körper dagegen wird oft stillgelegt. Dabei liegen wir nur ein paar Atemzüge von der Lösung einer solchen Misshaltung entfernt…
In der Steinzeit war Stress überlebenswichtig. Wenn unsere Vorfahren tagelang hungrig durch die Savanne streiften, kaum noch Kraft hatten und plötzlich ein Säbelzahntiger grüßte, waren alle hellwach und bereit für sportliche Höchstleistungen. Dafür sorgt bis heute hauptsächlich das Stress-Hormon Adrenalin. Innerhalb von Millisekunden wird es gefühlt eimerweise in den Körper ausgeschüttet: Die Blutgefäße in Armen und Beinen werden eng gestellt, um dort bei einer drohenden Verletzung nicht auszubluten. Beschleunigte Atmung und Leber-Glucosefreisetzung bei gesteigertem Blutdruck, um ausreichend Superbenzin und Sauerstoff in die Antriebs- und Kampfmuskulatur zu pumpen. Vermehrte Handschweißproduktion für einen besseren Griff beim Kampf oder um besser auf Bäume klettern zu können. Die Magen/Darm-Arbeit wird auf Null reguliert, pinkeln hätte einfach zu viel Zeit gekostet. Die Nackenmuskeln verspannen sich, um die Halsschlagader vor Verletzung zu schützen. Die Pupillen erweitern sich stark, um mehr Überblick zu haben, mehr zu sehen. Rationales Denken schaltet auf „Standby“, denn: wer früher nachdachte, was die beste Lösung wäre, wurde zuerst angeknabbert. Auch die Cortisolausschüttung steigt massiv an, weil es die Entzündungsneigung bei möglichen Verletzungen hemmt. Die Sexualfunktion wird komplett heruntergefahren… wer will schon pimpern, wenn das Raubkätzchen Beifall klatscht?
Die Zeit rast – und wir hechten hinterher
Heute gibt es diesen Säbelzahntiger immer noch: Und er ist fast noch gefährlicher geworden. Weil er viele Jahre unbemerkt auf unserer Gesundheit herumkaut. Ein schleichender Prozess, der ununterbrochene Zeitdruck, die ständig wachsende Informationsflut. Das weltweite Wissen verdoppelt sich alle paar Jahre, und wir hechten hinterher. Die Zeit rennt. Beschleunigung wird zum Kult: Speed Dating, Coffee to go, wir machen keinen Mittagsschlaf, sondern bestenfalls einen Powernap, wir essen Fastfood, sind echte Multitasker, schreiben und checken ständig E-Mails und Facebook-Posts, rasen mit Highspeed durch das Internet, drängeln uns mit wilden Gesten und Lichthupe den Weg auf der Straße frei, lernen Speed Reading, lesen „Welt Kompakt“ und kauen kein Obst mehr, sondern trinken Smoothies. Abends laden wir uns noch den Stress der Welt über die Nachrichten in unseren Kurzzeitspeicher, damit wir danach im Schlaf die schlimmen Geschichten während der REM-Phase in unseren Langzeitspeicher einweben.
Wer früher nachdachte, was die beste Lösung wäre, wurde zuerst angeknabbert.
Dieser Druck ist nur mit Stresshormonen zu bewältigen. Doch es fehlt der körperliche Kampf (wer darf schon seinen Chef oder die Kollegen vermöbeln, um Stress abzubauen?). Oder wir sind auf der Flucht, um vor den Problemen wegzurennen. Was fehlt ist das körperliche Verheizen der zirkulierenden Stresshormone in aktiven Muskeln. Und die aus der Bewegung resultierende Tiefenatmung, die durch den erhöhten Sauerstoffbedarf der Muskeln automatisch erzwungen wird.
Meditieren, laufen oder naturfaul? Probiere es mal mit Speed-Relaxing
Meditation ist in Mode. Weil es wirkt. Und der Atmung Beachtung geschenkt wird. Andere mögen es aktiver. Sie meditieren beim Laufen: Der gleichmäßige Schritt auf dem Boden, die Konzentration auf das Ziel, die automatische Tiefenatmung. Insofern ist zu laufen, joggen, walken effektiver als meditieren. Die mental-emotional aktivierten Stresshormone werden in der kontrahierenden Muskulatur körperlich wieder neutralisiert.
Du bist naturfaul? Dann konzentriere dich auf die Minimallösung: Wenn die Stresshormone ein Wettrennen in deinem Körper machen, dann spann alle Muskeln deines Körpers an und hole tief Luft, dann press die Lippen fest zusammen und lass die Luft langsam unter maximaler Muskelspannung durch die Lippen bzw. Zähne zischen. Mache das 1-3 Mal und schau mal, wie gut du dich danach fühlst. Diese Methode des schnellen Stressabbaus nenne ich Speed-Relaxing. Nutze sie. Du wirst sehen, wie gut es tut, deinen Körper in die Stressbewältigung miteinzubeziehen.
Damit du jeden Tag wieder tief durchatmen kannst.
Patric Heizmann, Fitness- und Ernährungsprofi