Agilität im Alltag leben? –
Ich bin doch kein Projekt!
„Agil, ach schon wieder so ein Trend, davon habe ich schon einige überlebt.“
Mit solchen Sätzen komme ich täglich in meiner Arbeit als Transformationscoach in Berührung.
Agiles Arbeiten wurde von vielen Unternehmen in einigen Bereichen, vor allem im IT-Projektmanagement, schon erprobt. Viele Firmen stellen sich seit einiger Zeit auch die Frage, was „Agilität“ an sich für das ganze Unternehmen bedeutet.
Was bedeutet „agil“ für euch selbst?
Diese Frage stelle ich jedem Team, das ich begleite, und wir entwickeln ein gemeinsames Verständnis. Häufig genannte Wörter:
- Selbstorganisiert
- Flexibel auf Veränderungen zu agieren
- Kontinuierliche Verbesserung
- Offen für Neues
Auch wird „schnell“ oft damit in Verbindung gebracht. Auch darin lassen sich langfristig Erfolge erzielen, es sollte jedoch nicht als Hauptfokus gesehen werden.
Seit wann gibt es „Agilität“?
Vereinzelt schon seit mehr als 70 Jahren. Es ist nichts ganz neu Erfundenes. Ein paar Rahmendaten sind jedoch von Wichtigkeit – für die Zahlen-Daten-Fakten Liebhaber unter euch:
- 1995 entwickelten Jeff Sutherland und Ken Schwaber das bekannteste Projektmanagement Framework „Scrum“ für agile Teamarbeitsmethoden
- 2001 wurde das Agile Manifest niedergeschrieben, in dem ihr Prinzipien von agilem Arbeiten wiederfindet.
Warum ist „agil“ momentan so populär?
Zu Beginn der „Digitalisierung“ wurde der Begriff immer häufiger verwendet. Ein Buzzwort darf hier nicht fehlen: VUCA. Wir leben heutzutage in einer Welt, die wenig starr ist, sondern eher volatilen und ungewissen Charakter hat. Das Jahr 2020 hat es uns deutlich bewiesen. Unser Leben und unser Alltag wird immer komplexer (complexity), ist geprägt von einer großen Anzahl von Einflussfaktoren, die oft in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander stehen. Viele Informationen sind heute mehrdeutig (ambiguity). Ein tragisches Beispiel von Ambiguität ist Kodak. Kodak entwickelte ursprünglich die erste Digitalkamera, doch das Management wollte durch die neue Technologie nicht sein Hauptgeschäft mit analogen Fotografie-Filmen gefährden und beschloss, nicht weiter in die Digitalkamera zu investieren.
Doch was steckt hinter der „Agilität“?
„A fool with a tool, is just a fool.“ Sich nur auf das Einführen agiler Methoden zu fokussieren, ohne einen Gestaltungsrahmen dafür zu kreieren, bringt auf Dauer keinen großen Erfolg. So wurde „Agilität“ leider auch schon in vielen Unternehmen verbrannt. Agilität ist weit mehr als nur ein Methodenbaukasten. Hinter dem Begriff verbergen sich grundlegende Werte, die das Fundament bilden.
Der erste Wert ist „Offenheit“. Es geht dabei um Transparenz, einen optimalen Kommunikationsprozess. Offenheit für Veränderungen, Dinge anders anzugehen oder auch zu verwerfen. Offen auch kritisches Feedback zu geben, über Fehler zu sprechen, wenn du etwas daraus gelernt hast, was für andere interessant sein könnte.
Weiter geht es mit „Mut“. Es braucht Mut, um unangenehme Dinge anzusprechen, zu hinterfragen oder auch Entscheidungen selbst zu treffen.
Um Entscheidungen treffen zu können, braucht es „Selbstverpflichtung“. Hierunter verbirgt sich Eigenverantwortung und proaktives Handeln. Selbständiges agieren im Team. Vielen Menschen fällt es schwer eigenverantwortlich zu agieren, vor allem, wenn sie es über längere Zeit gewohnt waren, dass ihnen gesagt wurde, was sie zu tun haben. „Agilität“ bieten viele Chancen für ein selbstbestimmtes Leben, wird dich jedoch auch stark fordern.
„1000 Sachen auf dem Schreibtisch, das Telefon klingelt ständig und mein E-Mail Postfach ist voll.“ Wer kennt das nicht? Darum geht es bei dem Wert „Fokus“. Ziel ist es, sich nicht auf 100 Dinge gleichzeitig zu konzentrieren, sondern sich klare wenige Ziele zu setzen.
„Multitasking“ – nein danke. Versucht einmal, eine wichtige E-Mail zu schreiben und gleichzeitig mit einer Person zu sprechen. Fokus im optimalen Zustand bedeutet, sich Zeitfenster für ein Thema zu schaffen und daran dediziert zu arbeiten. Wichtig ist jedoch auch, für sich selbst zu definieren, wie ausgeprägt man einen Wert für seinen Alltag gestalten sollte, nicht immer sind 100% erforderlich.
Zuletzt der Wert „Respekt“, darin enthalten ist Wertschätzung. Eine Begegnung mit anderen auf Augenhöhe, Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit.
Alle Werte gehen Hand in Hand miteinander und ergänzen sich. Viele Firmen haben verstanden, dass es sich dabei stark um ihre eigene Unternehmenskultur handelt. Diese kann eine einzelne Person jedoch nicht verändern. Kultur entsteht immer durch die Menschen, die in einem Unternehmen arbeiten. Deswegen ist es essentiell, dass genau diese Menschen einen Gestaltungsrahmen bekommen, in dem sie diese agilen Werte mit gutem Gewissen ausleben können. Und genau dieser Rahmen ist für viele Unternehmen momentan noch eine Herausforderung. Das benötigt Zeit.
Wie kann ich nun für mich „Agilität“ leben? – ein paar Alltagsinspirationen
- Erstellt ein Taskboard – wenn ihr mehr Transparenz über eure Tätigkeiten bekommen wollt. Das Ganze geht entweder digital mit Tools wie Trello oder haptisch mit Post-Its an einer Wand. Wichtig sind drei Spalten: offen, in Bearbeitung und fertig.
- Die Freitagsreflexion: Nehmt euch ein paar Minuten am Ende der Woche Zeit und beantwortet die folgenden Fragen: Was lief diese Woche erstaunlich gut? Was könnte ich selbst verbessern? Und wie? Was nehme ich mir konkret für die nächste Woche vor und probiere es aus.
- Dankbarkeitsritual zahlt auf Respekt und Wertschätzung ein. Sagt doch einmal einem lieben Menschen mit einer kleinen Notiz für etwas Danke. Schreibt euch jeden Abend drei Dinge in ein Heftchen, für die ihr heute dankbar wart.
- Tracking des Arbeitsalltags, wie ihr zu mehr Fokus gelangt. Führt ein Tagebuch über eure Tätigkeiten für ca. 2 Wochen. Analysiert eure Zeitfresser, wann seid ihr am produktivsten? Was könnt ihr an eurem Verhalten verändern, um optimaler voranzukommen?
Viel Spaß beim Ausprobieren.