
Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) verändert unsere Arbeitswelt grundlegend und stellt
sowohl Unternehmen als auch Berufseinsteiger vor neue Herausforderungen und Chancen. Wie wird sich
unser Arbeitsalltag durch KI verändern? Welche Fähigkeiten werden in Zukunft besonders gefragt sein, und
wie können sich junge Talente optimal darauf vorbereiten?
Um diese und weitere Fragen zu beleuchten, spricht campushunter mit dem Digitalexperten Christoph Holz. Als erfahrener Unternehmer und Berater im Technologiebereich hat er einen tiefen Einblick in die aktuellen Trends und zukünftigen Entwicklungen rund um KI und Digitalisierung. Im Interview teilt er seine Einschätzungen darüber, wie KI die Strukturen von Unternehmen beeinflusst, welche Strategien Berufseinsteiger verfolgen sollten und welche Rolle Vielfalt und Kreativität in der neuen Arbeitswelt spielen werden.
Herr Holz, welche grundlegenden Veränderungen bringt die KI in die Arbeitswelt und Gesellschaft?
Unsere Urgroßeltern mussten unmenschliche Arbeit in den Fabriken der Industriellen Revolution leisten, weil es damals weder Roboter noch KI gab. Heute wissen wir, dass diese Arbeit langfristig gar nicht für Menschen gedacht war. Wenn alle unmenschliche Arbeit von KI erledigt wird, ist das, was übrig bleibt, menschliche Arbeit. Und die geht uns nie aus.
Routinearbeiten, besonders in Verwaltung und Bürokratie, werden zunehmend von KI-Systemen übernommen, was Prozesse beschleunigt und vereinfacht. Dies führt zu einem Strukturwandel, bei dem Mittelständler an Bedeutung gewinnen, während übergroße Firmen aufgrund geringerer Kundennähe oft Schwierigkeiten haben, mit den individuellen Kundenwünschen Schritt zu halten.
Für die industrielle Massenfertigung muss- ten Bürger früher zu standardisierten Konsumenten geformt werden, damit sie zu den Produkten passen. Weil KI-Systeme individuelle Bedürfnisse und Vorlieben der Menschen besser erkennen und je nach Bedarf in passgenaue Produkte umsetzen, haben KI-first-Firmen einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Müssen Berufseinsteiger Angst vor der KI haben?
Angst ist kein guter Ratgeber für eine erfolgreiche Zukunft. Gerade weil sich die Technik schnell entwickelt, ist es von Vorteil, mit neuen Perspektiven aus dem Studium einzusteigen, anstatt in alten Methoden festgefahren zu sein, die vielleicht bald überholt sein werden.
Berufseinsteiger müssen keine Angst vor der KI haben, aber es ist wichtig, ein gutes Verständnis für ihre Rolle in der modernen Arbeitswelt zu entwickeln.
KI verändert viele Aspekte der Arbeitswelt, indem sie Routineaufgaben automatisiert, Prozesse effizienter gestaltet und Transaktionskosten senkt. Dies kann in einigen Bereichen zu einem Wandel der Joblandschaft führen, aber es eröffnet auch vielfältige neue Chancen.
Wer bereit ist, sich kontinuierlich weiterzubilden und die Zusammenarbeit mit KI als Chance für persönliches Wachstum zu sehen, wird auch in dieser neuen Arbeitswelt erfolgreich sein. Statt Angst zu haben, sollte man KI also als Werkzeug betrachten, das einen bei der Karriere unterstützen kann.
Worauf sollte man in Zeiten von KI bei der Auswahl seines Fachbereiches – zum Beispiel bei einer Spezialisierung während des Studiums – oder bei der Wahl zukünftiger Zielbranchen und Zielunternehmen konkret achten? Wie macht man seine Karriere “KI-proof”?
Vieles davon ist heute noch nicht seriös abzuschätzen und die üblichen Empfehlungen, wie “wähle Unternehmen, die eine ausgereifte KI-Strategie und eine starke Innovationskultur haben” oder “setze auf Zukunftstechnologien und -trends, wie Datenwissenschaft, KI-Entwicklung, Cybersecurity oder Nachhaltigkeit”, scheinen mir zu kurzsichtig. Denn in diesen Feldern sind erfahrungsgemäß auch die Einsparungspotenziale durch KI sehr groß.
Viel wichtiger sind in meinen Augen Spezialisierungen, die “KI-sichere” Fähigkeiten fördern, denn Berufe, die diese Kompetenzen erfordern, bleiben auch in einer KI-dominierten Welt relevant.
Welche Fähigkeiten sind das denn, die trotz KI unersetzlich bleiben, und warum ist das so?
Nehmen wir als Erstes echte Kreativität. Damit tut sich die KI heute und höchstwahrscheinlich auch in Zukunft sehr schwer. Ein guter Witz ist ein Beispiel für echte Kreativität. Eine Pointe funktioniert nur, wenn sie unwahrscheinlich und überraschend ist. Moderne KI kommt gut mit dem Wahrscheinlichen zurecht, das Unwahrscheinliche bleibt ihr jedoch unzugänglich. Das Land von Humor, Kunst und Innovation liegt hinter dem Horizont der KI. Ihr Metier – die Wahrscheinlichkeitsrechnung – beschäftigt sich immer mit einer großen Menge von Fällen, aber über den Einzelfall kann Statistik nichts aussagen. Echte Kreativität produziert jedoch Einzigartiges. Das können heute absehbare KI-Systeme nicht.
Zweites Beispiel – Empathie. KI kann Mitgefühl vortäuschen, wie jeder andere Psychopath auch, aber nicht empfinden. Was eine KI empfindet, wissen wir nicht. Vielleicht hat sie Strom-Verlustangst oder Speicherplatz-Klaustrophobie. Aber für menschliche Empathie braucht es einen menschlichen Körper. Dazu kommt, dass nur ein authentischer Mensch eine glaubwürdige Beziehung langfristig aufrechterhalten kann. Und in einer künstlichen Welt wird nichts wichtiger sein als menschliche Beziehungen.
Zuletzt die Verantwortung. Was soll passieren, wenn der autonome KI-Tesla jemanden überfährt? Muss er dann 3 Wochen draußen parken? Eigenverantwortung bleibt für KI ewig unzugänglich. Und ökonomische Beziehungen wie Verkauf oder Arbeit funktionieren nur, wenn ein Mensch darin Verantwortung übernimmt und Vertrauen erzeugt. Eigenverantwortung macht uns ja erst zu Menschen. Das kann ein Algorithmus einfach nicht.
Letzte Frage: Wie könnte die Wirtschaft in zehn oder zwanzig Jahren aussehen, wenn sich die KI weiter so rasant entwickelt? Welche Veränderungen erwarten Sie und welche neuen Möglichkeiten oder Herausforderungen werden dadurch entstehen?
Ohne allzusehr in Kaffeesatzleserei zu verfallen, gibt es paar Bereiche, die ich für wahrscheinlich halte: Der Geburtenrückgang wird wider Erwarten in den nächsten Jahren nicht zu einem unüberwindbaren Fachkräftemangel führen, weil es uns gelingt, smarte KI-Roboter in alle Wertschöpfungsprozesse zu integrieren. Das beginnt beim Bergbau und endet bei Montagerobotern die beim Einbau der neuen Küche helfen. Der Roboter ist die neue Bohrmaschine.
Anderes Beispiel: Deutschland sucht derzeit 100.000 LKW-Fahrer und die verbliebenen Fahrer sind meist über 50 Jahre. Im Laufe der nächsten 10 Jahre wird es uns gelingen, vollautonome KI-LKWs auf die Straße zu bringen, damit der Warenverkehr nicht kollabiert.
Und wir werden in den nächsten Jahrzehnten den Rohstoffmangel überwinden, indem wir Werkstoffe und Produkte so weit digitalisieren, dass KI-Systeme eine fast vollständige Wiederverwendung ermöglichen. Diese digitalen Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach Ende der Lebenszeit selbstständig in der Lage sind, sich in ihre Rohstoffe zu zerlegen, die direkt wiederverwendet werden können.
Herr Holz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
(Das Interview führten wir virtuell, da Christoph Holz aktuell im Silicon Valley ist.)
