Einfach mal
freundlich sein
Gerade in schwierigen und herausfordernden
Zeiten wie diesen, ist Freundlichkeit ein
wertvolles Lebenselexier.
Vor kurzem las ich in der „Psychologie Heute“ folgende schöne Geschichte, die ich zu Beginn meines Artikels gerne mit euch teilen würde: In der Schlange eines Drive-in-Schnellrestaurants im kanadischen Manitoba wartete vor ein paar Jahren ein netter Mensch auf sein Essen. Er bezahlte, als er an der Reihe war, auch gleich die Rechnung des hinter ihm Wartenden. Das freute den Beschenkten so sehr, dass er es seinem Vorgänger gleichtat und die Rechnung für seinen Hintermann beglich. Die Kette dieser liebenswerten Handlungen wuchs auf 226 Leute an.
Freundlichkeit, Liebenswürdigkeit oder Güte können ansteckend sein! Wie großartig – oder???
Freundlichkeit als Forschungsthema
Die Erforschung der Freundlichkeit liegt in der Psychologie im Trend und viele Studien belegen inzwischen, dass es für uns ALLE von Nutzen sein kann, freundlich und nett zu sein. Denn freundliche Gesten geben uns körperlich wie auch seelisch einen kleinen Kick, machen uns glücklich und geben Kraft.
Grundsätzlich sind wir Menschen alle in der Lage, freundlich zu sein. Interessant ist, dass noch keine klare und einheitliche Definition von Freundlichkeit existiert. Der Psychologe David Canter versucht dies mit 3 Kernkomponenten etwas greifbarer zu machen:
- Alltägliche Höflichkeit inklusive Akzeptanz anderer.
- Ein Grundempfinden dafür, dass andere Menschen Gefühle haben.
- Altruistisches Verhalten – Hauptsächlich an das Wohl der anderen zu denken, ohne etwas im Gegenzug zu erwarten.
Forscher der University of Sussex beleuchten in einer Studie mit 1.150 Probanden anhand von Hirnscans, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir uns freundlich verhalten. Das Ergebnis zeigt, dass hier zwischen großzügigen, altruistischen Freundlichkeiten und den netten Handlungen im Sinne von Gegenseitigkeit unterschieden wird.
Bei den Probanden, bei denen die strategische Freundlichkeit mit der Erwartung einer Gegenleistung gekoppelt war, schaltet das Gehirn die Areale des Belohnungszentrums an, die dafür sorgen, dass man sich wohlfühlt. Bei selbstlosen Freundlichkeiten wurden weitere Regionen in der Großhirnrinde aktiviert, die dazu führen, dass es uns immer wieder leichtfällt, großzügig zu sein.
Der Weg vom Dankbarsein zur Freundlichkeit
Mit diesem Zusammenhang sollten wir uns etwas intensiver beschäftigen, dafür hole ich etwas aus:
Ich bin gebürtige Iranerin (meine Mutter besteht darauf, dass ich Perserin sage :-) ). Als ich ein Jahr alt war, floh meine Mutter mit meiner Schwester und mir nach Deutschland. Sie war politisch verfolgt. In Deutschland aufzuwachsen war für mich selbstverständlich, denn an den Iran konnte ich mich nicht erinnern. Nach 15 Jahren trauten wir uns das erste Mal in den Iran zu reisen. Ich lernte das erste Mal, mein Geburtsland kennen. Der Iran ist ein wunderschönes Land mit einer großen Geschichte und herzlichen Menschen. Was ich allerdings das erste Mal in meinem Leben hautnah erlebte, war, in meiner Freiheit eingeschränkt zu werden. Ich musste ein Kopftuch tragen, im Bus hinten sitzen und sollte in der Öffentlichkeit nicht zu laut lachen. Meine gleichaltrigen Verwandten haben mich nach den für mich normalsten und selbstverständlichsten Dingen durchlöchert...wie es sei, auf eine Schule mit Jungen zu gehen? Ob Kinofilme zensiert werden? Ob wir anziehen dürfen, was wir möchten? Die Musik hören dürfen, die wir mögen?
Das erste Mal in meinem Leben wurde mir bewusst, dass all diese Dinge für mich selbstverständlich sind, aber für viele andere Menschen – wie die Menschen aus dem Iran – nicht. Und ich fing an, dankbar dafür zu sein, in einem Land leben zu dürfen, in dem ich denken darf, was ich möchte, sagen darf, was ich möchte, tragen darf, was ich möchte, und schlicht und ergreifend der Mensch sein darf, der ich sein möchte.
Was haben nun mein erster Iran-Trip und Dankbarkeit mit Freundlichkeit zu tun?
Ich persönlich glaube fest daran, dass Dankbarkeit uns freundlicher werden lässt. Aus meiner Sicht könnte das die Basis für Freundlichkeit sein. Denn Dankbarkeit löst manchmal auch ein Gefühl der Zufriedenheit aus. Nach meiner ersten Reise in den Iran war ich extrem dankbar für all die Dinge, die vorher die absolute Selbstverständlichkeit waren. Das Problem – nach kürzester Zeit habe ich bemerkt, wie dieses Gefühl der Dankbarkeit verblasst und ich langsam, aber sicher wieder anfange, auf hohem Niveau zu jammern. Und ich merkte, wie ich manchmal sogar gedanklich bei den Dingen war, die ich nicht besaß, nicht konnte, nicht schaffte...Und in diesem Modus fällt es uns schwerer, freundlich zu sein. Deshalb sollten wir im ersten Schritt damit beginnen, Dankbarkeit zu trainieren. Wir sollten uns immer wieder vor Augen führen, was nicht selbstverständlich ist.
Ein Tipp meinerseits, um Dankbarkeit zu „trainieren“: das Dankbarkeits-Tagebuch: regelmäßig notieren, für was ihr dankbar seid. Im besten Fall täglich. Dankbarkeit kann die Basis der Freundlichkeit sein.
Freundlichkeit kann man üben
Auch das Freundlichsein lässt sich üben. Wir können uns bewusst dafür entscheiden, freundlich zu sein. Vielleicht ist Freundlichkeit auch eine Haltung, die wir bewusst einnehmen können. Ganz oft fällt mir in meinem Alltag auf, wie grimmig die Menschen unterwegs sind. Oft sogar ignorant. Und ich entscheide mich ganz bewusst dafür, mit einer freundlichen Mimik durch die Fußgängerzone zu laufen. Und ich genieße die Reaktionen. Denn viele Menschen schmunzeln zurück, und das ist schön.
In der Arbeitswelt können wir sogar durch Freundlichkeit Menschen an uns binden. Freundlichkeit schafft nämlich auch Verbundenheit. Mein Lieblingscafé ist aus einem ganz bestimmten Grund mein Lieblingscafé – jede einzelne Mitarbeiterin und jeder einzelne Mitarbeiter ist freundlich und herzlich, und genau deshalb fühle ich mich wohl und gehe immer wieder dort hin. Lediglich ein schönes Ambiente und ein guter Kaffee sind nicht Grund genug, um Fan zu werden.
Freundlichkeit wirkt ansteckend – probiert es aus!
Gerade saß ich im Café an einem schönen Tisch in der Sonne und habe an diesem Artikel geschrieben. Die Sonnentische hier sind rar. Ich habe zwei Herren, die traurig über die Tatsache waren, dass es keinen freien Sonnentisch mehr gibt, angeboten, sich an meinen Tisch zu setzen, und ergänzt, dass ich noch maximal eine viertel Stunde hier sitzen werde. Sie haben sich gefreut und dankend das Angebot angenommen. Ich habe mich kurz darauf verabschiedet und bin eine Kleinigkeit einkaufen gegangen. Auf meinem Rückweg kam ich wieder am besagten Café vorbei und genau in diesem Moment bekam ich mit, wie die beiden Herren einem jungen Paar anboten, sich dazuzugesellen, da es keine freien Tische mehr gab. Ich musste schmunzeln und dachte mir, dass mein Verhalten vielleicht ein wenig Einfluss auf ihres hatte. So wie auch in der Eingangsgeschichte!
Wir können also sagen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass Menschen, die eine Freude erfahren haben, anderen auch eine Freude machen. Ist das nicht schön? Freundlichkeit kann also auch ansteckend sein!
Wir können durchs Freundlichsein die Welt ein kleines bisschen schöner machen, es tut uns und unseren Mitmenschen gut, es kostet nichts und aufwendig ist es auch nicht wirklich – also, lasst uns doch einfach einmal etwas freundlicher sein.