
Tipps für den direkten Weg
An der Uni bleiben und forschen, mit einem attraktiven Gehalt in ein Unternehmen gehen oder gleich den Chefsessel wählen – was ist besser? Immer mehr junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entscheiden sich für den Chefsessel. Sie gründen Start-ups mit einer Innovation, die während ihres Studiums entstanden ist. Die Zahl solcher Ausgründungen oder Spin-offs aus Hochschulen steigt stetig. Damit eine Gründung erfolgreich ist, wird allerdings mehr gebraucht als eine gut erforschte Idee.Â
Für den Erfolg muss der Wechsel von der Universität in die Selbstständigkeit mit Fragen beginnen. Zuallererst: Wem bringt deine Innovation Nutzen, taugt sie für den Markt? Gibt es bereits Vergleichbares? Dann: Ist die rechtliche Situation geklärt? Wie kannst du deine Idee schützen? Wie sieht es mit einem Patent aus? Wie kannst du deine Gründung finanzieren?
Kein Erfolg ohne Marktanalyse und Zielgruppenbestimmung
Branchenverbände, Fachzeitschriften, Industrie- und Handelskammern oder Marktstudien sind einige der Quellen, aus denen du schöpfen kannst, um zu prüfen, welche Chancen dein Produkt am Markt hätte. Das Augenmerk muss dabei immer auch auf aktuelle Trends gerichtet werden. Verschaffe dir einen fundierten Überblick über die Wettbewerbssituation.Â
Ist die Marktfähigkeit gegeben und sind auch die rechtlichen Fragen positiv beantwortet, dann können wissenschaftliche Erkenntnisse Gold wert sein. Beispiele für solche erfolgreichen Gründungen sind:Â
- Kuka, ein Hersteller von Industrierobotern und automatisierten Produktionsanlagen, mit Ursprung an der TU München
- SMA Solar Technology, führender Anbieter von Wechselrichtern und Lösungen für erneuerbare Energien von der Universität KasselÂ
- TeamViewer, eine international erfolgreiche Softwarefirma, deren Programm viele von uns für die Fernwartung von Computern nutzen, aus Göttingen.Â
Die Liste ließe sich mit Beispielen aus der Medizin, Pharmabranche, Verwaltung, Automobilindustrie oder anderen Branchen fortsetzen.
Aus Wissen kann auch dann Wirtschaft werden, wenn der Gründer oder die Gründerin den Sprung in die Selbstständigkeit ohne vorherige Berufserfahrung wagt. Wichtiger als Geschäftspraxis ist nach meiner Erfahrung die Fähigkeit, die eigenen Stärken und Schwächen einschätzen zu können (also nicht nur die Stärken und Schwächen des Produktes), und sich Unterstützung zu suchen, wo es nötig ist. Fehlt das Know-how zum Beispiel bei der Entwicklung eines Geschäftsmodells oder des unverzichtbaren Businessplans, gibt es an vielen Stellen Hilfe.
Das A und O: Unterstützung und Förderung
Wer aus der Hochschule heraus gründet, kann vom Netzwerk seiner Professorinnen und Professoren profitieren. Außerdem haben Alumni und Mitstudierende oft wertvolle Ressourcen und bieten Unterstützung. Sinnvoll sind auf jeden Fall Coaches oder Mentoren mit Erfahrung in der Unternehmensgründung. Auch die Hochschulen selbst fördern zunehmend Gründungen, unter anderen die TU Dresden, die RWTH Aachen, die KIT in Karlsruhe oder die TU Berlin. An der TU München wurde mit „Unternehmertum“ sogar eine eigene Organisation auf die Beine gestellt, die sich nur um dieses Thema kümmert. Die erste Anlaufstelle sollte immer die eigene Hochschule sein, auch wegen der Klärung rechtlicher Fragen.
Dass immer mehr Hochschulen die Wichtigkeit von Ausgründungen erkennen und sie fördern, verzeichnet auch der Stifterverband, der in seinem Gründungsradar die Profile deutscher Hochschulen beobachtet: „Mit jeder Erhebungswelle des Gründungsradars haben sich die Hochschulen zusammengenommen im Themenfeld nach vorne entwickelt und immer mehr Gründerinnen und Gründer auf dem Weg begleitet, Innovationen aus Forschung und Lehre in die Praxis zu überführen“, heißt es im Gründungsradar 2022. Dieses Engagement sollte nach Einschätzung des Verbandes weiter verstärkt werden.Â
Eine sinnvolle Anlaufstelle außerhalb von FH oder Uni ist außerdem das Förderprogramm EXIST, mit dem das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz seit 1998 erfolgreich Gründungsnetzwerke, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen unterstützt. Ziel von EXIST ist es, die Zahl innovativer Ausgründungen mit Hilfe gründungsunterstützender Angebote in Lehre, Forschung und Verwaltung zu erhöhen. Seit 2000 unterstützt EXIST HochschulabsolventInnen, WissenschaftlerInnen und Studierende direkt bei der Entwicklung ihrer Gründungsvorhaben mit finanziellen Zuschüssen und Know-how.
Neben dem Bund haben auch die Länder erkannt, dass wirtschaftliches Potential in ihren Hochschulen noch zu oft ungenutzt bleibt. Viele haben eigene Förderprogramme aufgelegt. Auch bei der Europäischen Union können Fördergelder beantragt werden. Zusammengefasst sind die verschiedenen Möglichkeiten in der Förderdatenbank des Bundes.
Pragmatismus statt Elfenbeinturm
Reicht es schon, all diese Möglichkeiten zu kennen und zu nutzen, um auf den Chefsessel zu wechseln und dort auch zu bleiben? Nicht ganz. Wer erfolgreich gründen will, braucht eine gehörige Portion Pragmatismus und ist gut beraten, ein diverses Team aufzubauen. Gerade Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern muss der Blick über den Tellerrand ihres Produktes hinaus gelingen. Denn insbesondere bei technologischen Neuentwicklungen besteht die Gefahr, dass Marketing und Vertrieb nicht gut vorbereitet werden, weil der Fokus nur auf dem Produkt liegt.Â
Kurz: Erfolgreiche Hochschulausgründungen sind eine Kombination aus innovativer Forschung, praktischem Geschäftssinn, effektiver Nutzung von Förderungsmöglichkeiten und Netzwerken sowie einem gut durchdachten Ansatz für Marketing und Vertrieb.