Examen contra Erfahrung
Berufserfahrung oder akademische Qualifikation –
was zählt bei der Bewertung von Bewerbern mehr?
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Ein Personalberater berichtet.
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Steve Jobs schmiss sein Studium schon nach dem ersten Semester. Bill Gates brach es 1975 ab. Und auch Mark Zuckerberg gab sein Studium 2009 ohne Abschluss auf.
Hätte ein Personalberater oder ein Personalreferent die Herren trotzdem zum Vorstellungsgespräch eingeladen? Natürlich! Denn schon sehr früh hätten alle drei berufliche Erfahrung und Erfolge vorweisen können, die Sie deutlich aus der Masse der Bewerber hervorheben.
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Lassen wir mal Aspekte wie Persönlichkeitsentwicklung und Forschungs- und Entwicklungsdrang beiseite. Ein Studium mit dem Anspruch an selbstständiges Lernen bietet dafür unstrittig mehr Möglichkeiten, wie zum Beispiel der vorgegebene Ablauf einer beruflichen Ausbildung. Hier geht es ausschließlich um den Auswahlprozess bei der Bewerbung, um den Wunschjob und die Frage, ob die passende berufliche Erfahrung oder ein beeindruckender akademischer Abschluss den entscheidenden Vorteil bringt.
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Schauen wir zu Beginn auf die Statistiken. Obwohl Winston Churchill gesagt haben soll, dass man keiner Statistik trauen darf, die man nicht selbst gefälscht hat, ist die Erkenntnis von Prof. Dr. Gerhard Bosch vom Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg Essen richtungsweisend: „Die Studienanfängerquote ist von 39% im Jahre 2003 auf 58% 2015 gestiegen. Zwar steigt der Anteil der Tätigkeiten mit hohen Qualifikationsanforderungen, jedoch der Anteil der hochqualifizierten Tätigkeiten, für die man unbedingt einen akademischen Abschluss braucht, liegt in den OECD-Ländern aber nirgendwo über 25 % und damit deutlich unter den Quoten von Hochschulabsolventen.“ Damit sinkt die Bedeutung eines akademischen Abschlusses für die erfolgreiche Bewerbung. Sie sinkt, aber sie ist nach wie vor wichtig.
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Viele Unternehmen definieren eine akademische Qualifikation als Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Bewerbung. Die Aufgabe einer guten Personalberatung ist nicht die Beschaffung vieler vermeintlich geeigneter Kandidaten, sondern dem Kunden die Lösung seiner (Personal-) Probleme zu ermöglichen. ÂDazu ist ein solides Verständnis der Âunternehmerischen Abläufe wichtig. Das erlaubt einem Personalberater mit Branchenexpertise eine qualifizierte Empfehlung, ob diese akademische Qualifikation für die Lösung des Problems wirklich unabdingbar ist. Für Berufsgruppen wie zum Beispiel Ärzte, Anwälte oder Architekten stellt sich die Frage nicht. Auch ist der Trend deutlich, dass je höher die Position in der Managementhierarchie angesiedelt ist, desto wichtiger ist die Fähigkeit, vom Tagesgeschäft losgelöste, abstrakte Prozesse gestalten und steuern zu können. Aber die überwiegende Mehrheit vakanter Positionen dient doch der Erfüllung ganz spezifischer unternehmerischer Aufgaben. Und wer Erfolge bei der Erfüllung dieser oder ähnlicher Aufgabe nachweisen kann, ist für ein Unternehmen auch ohne Studium interessant.
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Somit ist ein Studium für Berufseinsteiger eine solide Grundlage für eine erfolgreiche Karriere. Aber es muss die spätere Fokussierung auf Tätigkeiten, die mich beruflich weiterbringen, unterstützen. Langfristig sticht unternehmerische Erfahrung die akademische Qualifikation aus. Steve, Bill und Mark würden das sicher bestätigen.