Was sind meine Stärken?
So finden Sie die Wahrheit heraus
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Die Frage nach den Stärken ist zwar altmodisch, wird in Vorstellungsgesprächen aber immer noch gern gestellt. Die Antwort darauf fällt vielen schwer. Lesen Sie in diesem Beitrag von Stärkenspezialistin Svenja Hofert, wie Sie herausfinden, was Sie wirklich stark macht.
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Holen Sie sich ein Blatt und einen Stift oder machen Sie „Siri“ diktierbereit. Gehen Sie in sich. Fragen Sie sich: „Was sind meine Stärken?“ Schreiben Sie auf, was Ihnen einfällt. Ich wette, auf Ihrem Zettel stehen diese Begriffe:
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- kommunikationsstark
- Organisationstalent
- Teamplayer
- analytisch
- empathisch
- kreativ
- zuverlässig
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Diese sieben Stärken führen meine inoffizielle deutschsprachige Hitliste an. Sie treffen auf jeden mehr oder weniger zu. Und deshalb sagen sie: rein gar nichts.
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Dies ist nicht nur mein Eindruck. 90 Prozent der für eine amerikanische Studie befragten Studenten hielten sich für empathisch. 90 Prozent! Zunächst sollten wir uns daher einmal anschauen, was eine Stärke ist: etwas, in dem wir stark sind – stärker als andere. Eine Stärke geht deshalb auch immer über den Vergleich. Was können Sie wirklich besser als andere Menschen, wo sind Sie überdurchschnittlich gut? Wenn 90 Prozent sich für empathisch halten, so ist Empathie der Normalzustand, es kann also keine Stärke mehr sein. Und garantiert würde die Selbsteinschätzung dieser 90 Prozent durch ein Fremdbild ganz schnell ins Wanken geraten.
Vertrautes bleibt haften
Sicher kennen Sie das auch: Es halten sich viele für empathisch, kommuÂnikationsstark, die das bei näherer Betrachtung gar nicht sind. Hier greift die Verfügbarkeitsheuristik, ein kognitiver ÂBias, der unsere Wahrnehmung beeinflusst. Wir rufen auf die Frage „was sind meine Stärken?“ Begriffe ab, die uns Âvertraut sind, weil wir sie oft lesen oder hören. Wir verbinden mit diesen Stärken aber höchst Unterschiedliches.
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Wenn ich Menschen frage, die sich für kreativ halten, und nachforsche, was denn ihre Kreativität ausmacht, fallen die Antworten oft sehr viel genauer und präziser aus. Dann sagen sie zum Beispiel: „Ich habe oft schräge Dinge im Kopf und kann gut querdenken“ oder „ich kann gut zeichnen“. Sie sehen an diesen Antworten: Gemeint sind völlig unterschiedliche Dinge. Suchen Sie also nach wirklichen, echten, ehrlichen Stärken und konkreteren Stärkenbeschreibungen, indem sie diese durch Beispiele mit Leben füllen. Dafür müssen Sie sich intensiv und auch kritisch mit sich selbst beschäftigen.
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Ich arbeite seit Jahrzehnten mit Menschen im Rahmen von Neuorientierung, Karriere und Teamentwicklung am Thema Stärken und Potenziale. Ob Student oder Führungskraft: Wenige können ihre Stärken selbst gut in Worte fassen. Viel leichter wird es, wenn es andere tun. Dabei habe ich immer wieder festgestellt, dass fünf plus/minus zwei Stärken sehr leicht zu benennen sind, wenn man eine Person sehr gut kennt. Kennt man sie weniger gut, sind es meist nur ein, zwei Dinge, die als spezifisch für diesen Menschen aufÂfallen.Â
Andere anonym befragen
Am besten lassen sich eigene Einschätzungen deshalb durch das Einholen von möglichst vielen unterschiedlichen Fremdperspektiven überprüfen. Andere sehen oft Dinge, die wir selbst nicht wahrnehmen, weil wir das Besondere daran nicht (mehr) erkennen. Das lässt sich leicht damit begründen, dass man Dinge, die einem leichtfallen, irgendwann nicht mehr als Anstrengung registriert. Das ist die Folge von erfolgreichem ÂLernen.
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Also, schauen Sie sich lieber um. Probieren wir es einfach einmal aus. Denken Sie jetzt an drei Menschen, die Sie gut kennen. Fallen Ihnen zu diesen Menschen Stärken ein? Können Sie spontan beschreiben, was diese Leute besonders macht, wertvoll, anders als andere? Ich wette, Sie können das. Und ich wette, Sie müssen auch nicht lange überlegen, wenn Sie Stärken von anderen Menschen benennen sollen. Wenn Ihnen doch mehr Stärken eingefallen sind: Meist lassen diese sich clustern, also fokussieren, weil sie eine ähnliche Aussage treffen.
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Das ist der Grund, aus dem ich – auch in meinem Buch „Was sind meine Stärken“ – von fünf Leitstärken spreche. Es sind die fünf führenden Stärken. Jene Stärken, die vorangehen und die Kutsche Ihres Lebens und Ihrer Karriere ziehen. Die Zahl Fünf ist dabei nicht einmal magisch. Fünf Dinge lassen sich leicht merken. Nach Hermann Ebbinghaus, Pionier der kognitiven Psychologie, brauchen Menschen nur eine Wiederholung, um fünf bis sieben Items zu lernen. Verschiedene Studien bestätigten bis heute immer wieder diese sogenannte Gedächtnisspanne.
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Fragen Sie möglichst viele unterschiedliche Bekannte, Freunde und Kollegen oder Kommilitonen, und zwar am besten anonym. Das ist so wie bei einer Mitarbeiterbefragung im Betrieb. Es ist klar: Ehrliche Antworten kommen nur, wenn nicht klar ist, wer sie gegeben hat. Man kann, um diese Anonymität zu Âwahren, zum Beispiel einen Fragebogen Âentwerfen und um Antworten per Post bitten.
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Clustern Sie die Stärken, die andere Ihnen attestieren, und bringen Sie sie in eine Rangfolge. Mit welchen können Sie sich wirklich gut identifizieren? Welche passen auch zu Ihrem Berufswunsch und ließen sich im Vorstellungsgespräch benennen? Suchen Sie Beispiele aus ÂIhrer Ausbildung, aus Praktika und der Freizeit, die diese Stärken unterstreichen.
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Weitere Anregungen finden Interessierte unter den 50 Stärken, die in meinem Buch ausführlich beschrieben sind – mit Tipps zur Berufsorientierung, Studienwahl und Weiterentwicklung.