Karrieretipps > Bewerbung & Co > Doktorarbeit – ja oder nein?

Ein Karrieretipp von Angelina Bockelbrink, Lesedauer: ca. 4 Minuten

Doktorarbeit – ja oder nein?

Jedes Jahr werden 20.000 bis 30.000 meist junge Akademiker und Akademikerinnen in Deutschland promovieren, obwohl wir regelmäßig lesen können, dass sich eine Promotion nicht mehr lohnen würde. Wie ist es also wirklich? Für wen lohnt sich die Promotion?

Wer darf überhaupt promovieren?

Grundsätzlich darf promovieren, wer ein Vollstudium erfolgreich mit einem Master oder Diplom abgeschlossen hat, in Einzelfällen auch mit einem Bachelor. Seit einigen Jahren gilt das ebenso für Studierende der Fachhochschulen. Und natürlich berechtigen auch die Staatsexamens-Studiengänge, allen voran Jura und Medizin, zur Promotion.

 

Die wichtigste Voraussetzung für die Aufnahme einer Doktorarbeit ist jedoch das Vorhandensein einer Betreuungsperson. ­Wer promovieren möchte, muss eine Doktormutter oder einen ­Doktorvater finden, die/der bereit ist, das Thema zu betreuen und zu begutachten.

 

Zudem sollte jeder Promotionswillige Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten mitbringen und die Bereitschaft, sich intensiv mit einem Thema zu befassen. Auch ein ordentliches Maß an Selbstorganisation ist sicherlich hilfreich.

Welche Arten von Doktorarbeiten gibt es und für wen sind sie geeignet?

Die klassische Promotion ist eine sogenannte Individualpromotion. Diese kann durchgeführt werden als interne Promotion mit einer Doktoranden- oder Wissenschaftlerstelle am Lehrstuhl, was mit zusätzlichen Aufgaben in Forschung und Lehre einhergeht, oder als externe Promotion mit nur lockerer Anbindung. ­Eine solche externe Promotion kann berufsbegleitend oder z.B. auch aus der Elternzeit heraus durchgeführt werden. Das notwendige Maß an Eigeninitiative ist in jedem Fall hoch, da eine Struktur oder gar ein Zeitplan in aller Regel nicht vorgegeben wird.

 

Immer beliebter werden auch in Deutschland strukturierte Promotionsprogramme, wie Graduiertenkollegs oder PhD-Programme. Die Zugangsvoraussetzungen hier sind streng und erfolgen in aller Regel über ein definiertes Bewerbungsverfahren, einschließlich der Abgabe eines überzeugenden Exposés. Die Vorteile eines strukturierten Programms liegen auf der Hand: engmaschige Betreuung, regelmäßiges Feedback, Unterstützung durch die Gruppe, exklusive Zeit für die Promotion, wohingegen die Individualpromotion mehr Freiheiten und Gestaltungsspielraum bietet.

In welchen Fachrichtungen und welchen Sparten zahlt sich ein Doktortitel aus?

Wer eine Wissenschaftslaufbahn an der Uni anstrebt, für den ist die Doktorarbeit ein logischer Schritt auf der Karriereleiter. Anders sieht es aus für alle, die in der freien Wirtschaft unterkommen (wollen) oder im Staatsdienst. Der Doktortitel wird hier oft als Weg zu mehr Gehalt und höheren Positionen betrachtet. In geringerem Maße wird auch noch der positive Effekt des erweiterten persönlichen Netzwerks gesehen.

 

Beim Staat gibt es tatsächlich nur sehr wenige Stellen, für die eine Promotion gefordert wird – meist sind diese Stellen an eine Professur gekoppelt – und bei den Gehältern besteht hier sowieso nur ein äußerst geringer Spielraum. Auch in der freien Wirtschaft ist ein Doktortitel nicht unbedingt der Garant für berufliche Er­füllung.

 

Speziell in den Geistes- und Sozialwissenschaften rentiert sich die Doktorarbeit aus monetären Überlegungen heraus eher nicht. Im Gegenteil hören Promovierte hier immer wieder, dass sie überqualifiziert seien für bestimmte, möglicherweise dennoch attraktive Stellen.

 

Anders sieht es bei Juristen, Mathematikern oder Natur­wissenschaftlern aus. Während der hohe Anteil promovierter Mathematiker und Physiker sehr stark mit der Anzahl an wissenschaftliche Karrieren in diesem Bereich korreliert, ist die Promotion für Chemiker und Biologen speziell in den besonders ­renommierten und begehrten Firmen nahezu Einstellungsvoraussetzung. Insbesondere kleinere Unternehmen legen hingegen meist keinerlei Wert auf eine Promotion, sondern achten mehr auf fachspezifische Kenntnisse. Möglicherweise ändert sich hier allerdings bereits etwas, denn der Anteil an Promovierten in den Führungsetagen großer Firmen scheint rückläufig zu sein.

 

Gern gesehen sind promovierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch in Unternehmensberatungen. Diesen geht es dabei weniger um die fachliche Expertise, sondern die abgeschlossene Promotion gilt hier eher als Beleg für ein gewisses Maß an Ehrgeiz und die Bereitschaft zur persönlichen Weiterentwicklung.

 

Allein wegen der besseren Gehalts- oder Karriereaussichten lohnt sich der Aufwand für eine Doktorarbeit deshalb nur für Menschen, die sich Ihres Karrierewegs sehr sicher sind und früh wissen, dass eine Promotion ihnen hier Türen öffnen wird. Allerdings sollten auch diese kritisch den zu erwartenden Nutzen mit den zeitlichen sowie finanziellen Kosten für die Promotion gegenrechnen.

Wie wird die Promotion zum Erfolg – welche Eigenschaften und persönlichen Ressourcen sind hilfreich?

Etwa 1/5 aller begonnenen Doktorarbeiten werden nicht beendet, obwohl klar ist, dass „fast fertig“ keinerlei Mehrwert gegenüber „nicht fertig“ bedeutet. Meist scheitern die Promotionen in der Schreibphase, also nachdem alle Forschungsarbeiten abgeschlossen sind. Dabei verlaufen sie eher im Sand, als dass sie bewusst beendet würden. Die Gründe sind vielfach nicht konkret greifbar. Es ist häufig einfach das Leben, das dazwischenkommt – neuer Job, Familienzuwachs oder ein Umzug und schon hat die Doktorarbeit nicht mehr die nötige Priorität und bleibt liegen. Ein Patentrezept dagegen gibt es nicht, aber als sehr hilfreich hat sich erwiesen, mögliche Herausforderungen bereits vor ­Beginn der eigentlichen Arbeit bewusst anzugehen, Lösungen dafür zu erarbeiten, und gezielt langfristig Ressourcen für die Doktorarbeit freizumachen. Nebenbei die Doktorarbeit „nur noch zusammenschreiben“, wie man es oft hört, funktioniert nur in den wenigsten Fällen, denn die Doktorarbeit ist nun mal ein mittelgroßes Projekt und sollte so behandelt werden. Obwohl es natürlich immer wieder unerwartete Änderungen und Über­raschungen geben kann und wird, ist man mit guter Planung besser auf alle Eventualitäten vorbereitet. Am besten funktioniert dabei ein Plan, der nicht zu straff ist und Pufferzeiten berücksichtigt.
Was zudem sehr unterstützend wirkt, ist eine starke Motivation zu haben – stark genug, um durch die gesamte Promotionszeit einschließlich möglicher Tiefpunkte zu tragen. Erfahrungsgemäß trägt eine solide intrinsische Motivation sehr viel weiter als der Wunsch nach Ansehen, Anerkennung oder mehr Geld. Die Frage: „Wofür möchte ich promovieren?“, sollte deshalb idealerweise ganz am Anfang jedes Promotionsprozesses stehen.

Wissenschaftliches Arbeiten als Persönlichkeitsentwicklung und zum Aufbau eines Netzwerks.

Ob sich eine Doktorarbeit also lohnt, kann ausschließlich eine individuelle Entscheidung sein, für die es kein objektives Richtig oder Falsch gibt. Der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung und ein tiefes Interesse am Thema sind dabei sicherlich hilfreich. Neben der rein rationalen Abwägung möglicher Vor- und Nachteile macht es deshalb durchaus Sinn, auch dem Bauchgefühl eine Chance zu geben und so zu einer stimmigen Entscheidung zu kommen.

 




Bewerbung & Co

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