Karrieretipps > Kommunikation > Trust the process

Ein Karrieretipp von Silvia Artmann, Lesedauer: ca. 4 Minuten

Trust the process

– wenn Offenheit zu einer Haltung wird

Na klar bin ich offen. Und tolerant. Und flexibel. – Wenn in Vorstellungsgesprächen sogenannte soft skills erfragt werden, dann sind doch viele von uns sehr gut vorbereitet, oder? Doch – mal Hand aufs Herz. Stimmt es wirklich?

Erinnerst du dich noch an deinen ersten Präsenz-Tag an der Uni?

Du bist auf den Campus gekommen und in deinem Hörsaal gelandet – mit einer Vielzahl meist unbekannter Menschen. Wo hast du deinen Platz gefunden? Neben wen hast du dich gesetzt? Und dann ging die Tür wieder auf und die Professorin oder der Professor betrat den Raum. Was hast du gedacht? Ehrlich – hört ja keiner zu. Nur du selbst.

Du erinnerst dich nicht? Dann ein anderes Beispiel:

Du stehst in einer Gruppe deiner Kommoliton:Innen und ihr diskutiert über die letzte Vorlesung. Dann kommt diese eine Person dazu, mit der du einfach nicht auf einer Welle liegst. Und auch nicht mit ihrer/seiner Meinung. Hörst du noch zu? Nimmst du die Argumente noch auf oder drehst du dich um und gehst?

Diese Beispiele sollen dir bewusst machen, was die Psychologie längst bestätigt: Wir Menschen sind wahre Bewertungsmaschinen. Alles und jeder wird unbewusst bewertet und eingeordnet.

Kategorien sind hier vielfältig:

„mag ich“ oder „mag ich nicht“
„ist seltsam“ oder „zieht mich an“
„der Pulli passt gar nicht“ oder „mag ich auch haben“.

Ständig finden diese Zwiegespräche in unserem Kopf statt.

Gerade in der jetzigen Zeit ist es so wichtig, dass wir alle Offenheit allen Menschen und Kulturen gegenüber leben.

Heißt das nun, dass wir das nicht können? Sollen wir uns nun zurücklehnen und denken „tja – ich bin halt so“? Nein, ganz im Gegenteil.

Jetzt dürfen wir richtig loslegen.

Denn aus meiner Sicht fängt jede Veränderung bei uns selbst an. Statt nach außen zu schauen und dort nach Offenheit und Toleranz zu suchen, dürfen wir den Blick in den Spiegel richten.

Denn nur mit Offenheit ist ein Diskurs möglich – nur wenn wir einander offen zuhören können, können wir uns so auseinandersetzten, dass wir auf allen Seiten eine Bewegung starten. Das ist mit ein Geheimnis wahrer Verhandlungsprofis. Denn wenn zwei festgefahrene Meinungen aufeinanderprallen, ist kein Raum mehr für Bewegung vorhanden.

Es geht immer darum, dass wir Verhaltensmuster, Glaubenssätze und innere Überzeugungen erst einmal selbst bei uns entdecken.

In unserem Alltag leben wir unser Leben zwischen 60-90% (Studienlage nicht eindeutig) unbewusst. Wir denken Gedanken, weil wir sie gestern gedacht haben.  Wir nutzen Verhalten, weil wir es so gewohnt sind. Wir umgeben uns mit Menschen, die uns meist ähnlich sind oder deren Muster uns bekannt vorkommen.

Dahinter liegen vor allem zwei große ziemlich pfiffige Überlebensstrategien:

Dein Unterbewusstsein achtet auf deine Sicherheit (und alles, was es kennt, ist natürlich sicherer als alles Unbekannte). Und dein System will möglichst unnötige Energie einsparen. Dazu nutzt es bekannte Abläufe, denn dann müssen wir nicht neu denken und können einfach wie bisher unseren Weg gehen. Unbewusst erschaffen wir also jeden Tag ein ziemlich ähnliches Bild wie am Tag davor.

Nun meine Einladung an dich:

Bist du bereit, dich selbst in Frage zu stellen? Nicht immer leicht - aber machbar. Und nun kommt die große Zauberformel, um dauerhaft dran zu bleiben: SEI NETT ZU DIR! Dein Blick auf dich darf auch bewertungsneutral werden. Uns selbst dürfen wir ebenfalls offen und freundlich gegenübertreten.

Wieso solltest du diesen Prozess starten?

Offenheit in der Aktion im Berufsleben

Diese Beispiele aus dem Alltag illustrieren, wie Offenheit zu positiven Veränderungen führen kann:

  1. Aktives Zuhören: Wenn wir uns wirklich auf das Gesagte anderer einlassen und ohne Vorurteile zuhören, öffnen wir Türen für tiefere Verbindungen und für Lösungen.
  2. Feedback annehmen: Offen für konstruktive Kritik zu sein, ermöglicht persönliches Wachstum. Anstatt Abwehrmechanismen zu aktivieren, da wir uns selbst schützen wollen, können wir reflektieren und uns entwickeln.
  3. Neue Perspektiven zulassen: Offenheit bedeutet auch, die Welt mit den Augen anderer zu sehen. Die Bereitschaft, verschiedene Perspektiven zu akzeptieren, fördert Verständnis. Damit gehen wir wieder anders auf Menschen zu.

Um aus unserem täglichen Routine-Wachschlaf aufzuwachen, brauchst du allerdings vor allem eins: deine ganz bewusste Bereitschaft, dich selbst auch immer wieder zu hinterfragen. Denn wir selbst sind wahre Meister darin, unsere eigene Meinung immer wieder zu bestätigen. Also was wäre, wenn wir damit anfangen zu verstehen, dass wir selbst stets nur unsere kleine Wahrheit sehen können?

Gerade wenn du mit anderen Menschen zusammenarbeitest oder Teams leitest, ist es aus meiner Sicht elementar aus dieser Haltung heraus sich immer wieder selbst herauszufordern. Denn Offenheit und Neugier sind sowohl eine Haltung als auch ein Prozess.

Du möchtest wissen, wie?

Hier die ersten Schritte, die jede:r von uns täglich machen kann:

  • Selbstreflexion: Beginne damit, dich regelmäßig selbst zu hinterfragen. Ãœberlege, welche Ãœberzeugungen und Denkmuster deine Sicht auf die Welt prägen. Erkenne dabei auch mögliche Vorurteile und Bewertungen, die deine Offenheit beeinträchtigen könnten.
  • Achtsam sein: Durch bewusste Präsenz kannst du Vorurteile und voreilige Schlüsse vermeiden oder schnell selbst erkennen. Sei offen für das, was gerade geschieht, ohne es durch vergangene Erfahrungen zu filtern.
  • Vielfalt suchen: Das kann sich auf deine sozialen Kreise, Lesevorlieben oder auch kulturelle Erfahrungen beziehen. Je mehr Vielfalt du in dein Leben einlädst, desto mehr Chancen ergeben sich für Neues.
  • Offenheit gegenüber Veränderungen: Sei bereit, bestehende Denkmuster und Gewohnheiten zu überdenken. Die Welt um uns herum entwickelt sich ständig weiter, und Offenheit ist der Schlüssel, um daran aktiv teilzunehmen.
  • Selbstverantwortung übernehmen: Ãœbernimm die Verantwortung für deine eigenen Gedanken, Handlungen und Emotionen. Statt andere für Missverständnisse oder Konflikte verantwortlich zu machen, betrachte, wie du selbst dazu beitragen kannst, eine offene und konstruktive Kommunikation aufrechtzuerhalten.

Ich wünsche dir viel Freude daran, dich immer wieder selbst neu zu entdecken, dir auf die Schliche zu kommen und damit immer sicherer darin zu werden, offen auf andere Menschen und Situationen zugehen zu können. Wir brauchen es gerade so dringend.


Kommunikation

Kommunikationstrainer und Buchautor Rene Borbonus und weitere Gastredakteure geben wertvolle Tipps rund um das Thema Kommunikation.

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