Mit konstruktiver Kritik Konflikte vermeiden
Der Kollege, der nie pünktlich zum vereinbarten Termin erscheint. Der Mitarbeiter mit den auffällig schlechten VerkaufsÂzahlen. Ständig dreckige Tassen in der Büroküche. Anlässe für Kritik gibt es viele, und nicht selten entstehen dadurch sogar Streitigkeiten. Wichtig ist daher ein konstruktiver Umgang mit Kritik.
Warum Kritik notwendig ist
Kritik bedeutet grundsätzlich eine Verbesserung. Egal ob Chef oder Kollege: Wer Mängel klar und deutlich benennt, merzt Defizite aus und schafft Platz für brauchbarere Lösungen. Das stärkt die Unternehmenskultur und sorgt für reibungslosere Arbeitsabläufe. Ein weiterer Vorteil: Konstruktive Kritik kommt allen zu Gute. Sie macht Mitarbeiter und Kollegen zufriedener und leistungsbereiter, weil sie nach der Beanstandung wissen: So kann ich es noch besser machen und ernte Lob dafür.
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Wer sich an einige Regeln hält und diese konsequent anwendet, sorgt mit offenen Worten für frischen Wind im Unternehmen und schiebt eingefahrene Strukturen wieder an – ohne dabei Kopf und Kragen zu riskieren. Das betrifft auch Kritik an Kleinigkeiten, wie das lautstarke Geplapper von Kollegen, das ein konzentriertes Arbeiten quasi unmöglich macht. Die einzige Bedingung: Der vorgebrachte Einwand muss Hand und Fuß haben. Einmalige Patzer oder entschuldbares Fehlverhalten sollten nicht gleich Anlass für eine umfassende Kollegenschelte sein. Für einen guten Kritiker sollte nämlich wie vor Gericht der Grundsatz gelten: Im Zweifel für den Angeklagten.
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Warum Kritik einen positiven Rahmen braucht
Wer möchte, dass seine Kritik auf offene Ohren stößt und die Stimmung nicht darunter leidet, sollte das Gespräch mit etwas Positivem beginnen – und auch beenden – gemäß dem Grundsatz: Der erste Eindruck prägt, der letzte bleibt. Ein Beispiel: In den Berechnungen eines Kollegen wütet der berühmte Fehlerteufel. Das Problem: Die Korrektur bleibt an einem zweiten Mitarbeiter hängen, der wegen der Nachlässigkeit seines Mitstreiters so manche Überstunde schieben muss und wegen der Verzögerungen vom Chef regelmäßig getadelt wird.
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Paradox, aber wirksam: In solch einem Fall beginnt man am besten mit einem Lob, um die Atmosphäre schon vorab zu seinen Gunsten zu prägen und ein konstruktives Klima zu schaffen:
„Ich bin wirklich beeindruckt, wie viel Berechnungen Sie in letzter Zeit abarbeiten. Das würde ich selbst gar nicht so schnell schaffen.“
Um dem Kollegen anschließend auch positiv im Gedächtnis zu bleiben und für das neue Verhalten zu motivieren, eignet sich ein ebenso netter Schluss:
„Schön, dass wir einen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Ich denke, das wird uns beiden die Arbeit künftig um Vieles erleichtern.“
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Warum Kritik eine Ich-Botschaft bleiben sollte
Was die eigentliche Kritik betrifft, lautet das oberste Gebot: Zurückhaltung. So auch beim überarbeiteten Kollegen. Bevor es zur eigentlichen Kritik kommt, sollte er beschreiben, was er in letzter Zeit an seinem Mitstreiter beobachten konnte und nach einer Einschätzung der Lage fragen: „Mir ist aufgefallen, dass sich bei Ihnen in letzter Zeit kleine Fehler einschleichen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr unter Zeitdruck stehen. Ist das so?“
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Wenn anschließend noch die Kritik folgt, ist sie für den Betroffenen verständlicher und nachvollziehbarer. Vor allem, wenn dabei Sachlichkeit und Respekt den Ton angeben. Dazu gehört auch, direkt und persönlich mit dem Kritisierten zu sprechen statt vor versammelter Mannschaft. Ein unpersönliches „Er behauptet“ sollte genauso tabu sein wie grob verallgemeinernde Einschätzungen wie „Man könnte meinen“ oder „Jeder findet“.
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Kritik ist meist rein subjektiv und sollte daher auch so formuliert werden. Worte wie „Ich finde“ oder „In meinen Augen“ machen die Beanstandungen deutlich annehmbarer. Genau das Gegenteil bewirken Pauschalisierungen wie „immer“ oder „nie“, manipulative Sätze wie „Ihnen müsste doch klar sein“ oder undefinierte Gefühle wie „Ich spüre, dass ...“. Sätze wie diese verunsichern und stehen einem klärenden Gespräch klar im Wege. Zweckmäßiger sind eindeutige Ansagen – verbunden mit einer Handlungsoption. Ein Beispiel für den Fehlerteufel-Fall:
„Durch die teils fehlerhaften Berechnungen habe ich leider wesentlich mehr Arbeit zu bewältigen. Wie wäre es, wenn Sie sich mehr Zeit nehmen oder einen Azubi noch einmal alles kurz prüfen lassen? Dann ernten wir beide in Zukunft mehr Lob vom Chef.“
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Warum es Kritisierte schwer haben
Soviel zur Partei des „Klägers“. Doch wie steht es um die Position des „Angeklagten“? Auch hier gibt es einige Regeln zu beachten. Denn: Der Kritik-Empfänger hat es mindestens genauso schwer wie der Kritiker. Die meisten fühlen sich trotz einfühlsamster Predigt schnell angegriffen und verletzt. Der typische Fehler in dieser Situation: massive Rechtfertigungen, gleich zu Beginn des Gesprächs. Das zermürbt selbst den wohlwollendsten Gesprächspartner. Wer verbal zurückschlägt, hinterlässt zudem keinen souveränen Eindruck. Denn anstatt zu einem Fehler zu stehen und Einsicht zu zeigen, scheint sich jemand, der jede Schuld auffällig von sich weist, dadurch erst recht zum angesprochenen Fehlverhalten zu bekennen.
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Empfehlung: Bei kritischen Worten erst einmal tief durchatmen und zuhören. Nur wer den tadelnden Worten aufmerksam folgt, kann eventuelle Fehlbeobachtungen richtig stellen. Unverzichtbar ist auch hier, auf sachlicher Ebene zu argumentieren. Bewahren Kläger und Angeklagter Contenance, ist eine Lösung des Problems schnell gefunden.
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Wem das zuweilen schwer fällt , kann prinzipiell nicht gut mit Kritik umgehen. Die bizarre, aber effektive Lösung lautet: Ein Kritikgespräch gezielt von Anderen einfordern. Frei nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ behält der Kritisierte auf diese Weise stets die Oberhand über die Situation, denn er selbst kann entscheiden, wann sein Verhalten bemängelt wird. Das Ergebnis: Mit dem Überraschungseffekt auf der eigenen Seite steckt man Kritik plötzlich ganz einfach weg. Und das hilft beiden Seiten.
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Kommen Sie gut an!
Ihr René Borbonus