Notbremse
Was tun gegen fiese Respektlosigkeiten?
Bestimmt haben Sie das auch schon erlebt, zum Beispiel bei einer hitzigen Diskussion im Seminar: Jemand knallt Ihnen vor versammelter Mannschaft eine bodenlose Unverschämtheit an den Kopf. Und natürlich fällt Ihnen die passende Knaller-Antwort ein – nur leider erst 20 Minuten später. So etwas erleben wir immer mal wieder: Der Kommilitone, der Ihnen den Schneid abkaufen will, weil er Ihnen fachlich nicht das Wasser reichen kann. Der Rentner im Baumarkt am Samstagnachmittag, der genau jetzt an genau das Regal muss, vor dem Sie gerade stehen. Der genervte Kunde beim Nebenjob, der Sie runterputzt – weil er zu faul war, die Bedienungsanleitung zu lesen.
Wir alle kennen solche Situationen, und wir alle haben uns schon darüber geärgert, dass wir den fiesen Respektlosigkeiten mancher Mitmenschen gefühlt wehrlos ausgesetzt waren. Wir können ja nichts dafür, dass dieser Mensch uns an diesem Tag zum Ventil für seinen Frust erkoren hat. Ausgerechnet heute. Fiese Respektlosigkeiten kommen immer im falschen Moment, denn Respekt ist ein Grundbedürfnis. Wenn er uns verweigert wird, ist das immer verletzend – egal wann und von wem. Deshalb ärgern wir uns auch so sehr, wenn uns keine passende Antwort einfällt.
Ein Wort zum Trost: In der Regel ist es besser so. Denn nach einer schlagfertigen Retourkutsche eskaliert die Situation meistens erst recht, und dann wird es erst richtig verletzend – für beide Seiten. Die bessere Notbremse ist fast immer: demonstrative Höflichkeit. Lesen Sie hier, wie Sie auch die fiesesten Respektlosigkeiten entkräften.
Wie man’s macht, macht man’s falsch
Wenn Sie zum Beispiel von einem oberschlauen Kommilitonen in der Diskussion unsachlich zur Schnecke gemacht werden, ist die Versuchung natürlich groß, sich auf die verbale Rauferei einzulassen. Das Problem ist nur: Damit unterstützen Sie die Masche des Rhetorik-Rowdys auch noch. Denn er oder sie erwartet, dass Sie genauso reagieren: gekränkt und wütend. Zum Beispiel so: „Nicht in diesem Ton!“ Oder: „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Oder der Klassiker: „Was fällt dir überhaupt ein?!“ Den Schlagfertigen unter uns kommt vielleicht auch eine Retourkutsche in den Sinn: „Wohl mit dem Düsenjet durch die Kinderstube gerast?“
Absolut nachvollziehbar – spielt dem Angreifer aber in die Karten. All diese Erwiderungen werden in der Regel allerdings den gleichen ungünstigen Effekt haben: Der emotionale Grundton wird noch verstärkt, und wahrscheinlich eskaliert die Situation danach erst so richtig. Und Sie selbst werden sich danach auch nicht besser fühlen, denn im Krieg gibt es keine Sieger.
Demonstrative Höflichkeit
Die beste Strategie gegen fiese Respektlosigkeiten ist fast immer die ‚demonstrative Höflichkeit‘. Denn damit rechnen sie nicht, der aggressive Kommilitone, der eilige Rentner und der frustrierte Kunde. Kühle Höflichkeit lässt Sie souverän wirken, denn sie suggeriert dem Aggressor eine gelassene Distanz: Auf dein Spiel lasse ich mich nicht ein.
Der Schlüssel zur demonstrativen Höflichkeit liegt darin, auf die Meta-Ebene zu wechseln: von der Emotion zur Beobachtung. Wenn der Rentner im Baumarkt Sie zum Beispiel anfaucht: „Sind Sie da bald mal fertig?“, nehmen Sie ihm garantiert mit dieser Antwort den Wind aus den Segeln: „Nein, aber ich mache Ihnen gern Platz. Bitteschön!“ Vorgetragen mit einem freundlichen Lächeln. Der Spruch über die ‚Jugend von heute‘ dürfte ihm jetzt im Hals stecken bleiben…
Auch den Kunden, der den Einschaltknopf nicht gefunden hat, können Sie ganz respektvoll darauf aufmerksam machen, wie er sich aufführt. Indem Sie ihm sein Verhalten ganz nüchtern spiegeln: „Sie sind ja ganz schön wütend. Was ist denn passiert?“ Das ist ihm garantiert unangenehmer als Ihnen.
Sogar dem Kommilitonen in der Diskussion, der Sie vor der gesamten Seminargruppe zu blamieren droht, können Sie ganz höflich den Schneid abkaufen. Nehmen wir an, er packt einen billigen Angriff aus: „An deiner Argumentation sieht man, dass du keine Ahnung hast!“
Wenn Sie auf diesen Angriff eingehen und in ähnlicher Weise zurückschießen, haben Sie schon verloren – die Aggression hat ihr Ziel erreicht, nämlich sich einen unfairen Vorteil in der Diskussion zu verschaffen. Oft steckt dahinter ein Mangel an sachlichen Argumenten. Bevor Sie also ganz gelassen in der Sache weiter argumentieren, lassen Sie mit demonstrativer Höflichkeit die Luft raus: „Ach, Thomas, das meinst du doch nicht so.“ Am besten mit einem vertraulichen Zwinkern in seine Richtung.
Damit suggerieren Sie allen anderen: Er spielt mit gezinkten Karten, und ich wahre trotzdem den Respekt. Und plötzlich hat der Schwarze Peter den Platz gewechselt.
Fiese Respektlosigkeiten entschärfen: So geht‘s
Zum Glück sind heftige Respektlosigkeiten im Alltag eher die Ausnahme. Doch selbst die gemeinsten darunter müssen Ihnen nicht den Atem rauben. Mit den folgenden Tipps können Sie sich respektvoll und doch bestimmt verteidigen:
- Durchatmen. Das fällt besonders schwer, wenn wir angegriffen werden, macht aber einen großen Unterschied. Der Angreifer – und ggf. weitere Anwesende – können sich darüber klar werden, was hier los ist. Und Sie gewinnen einen Moment Zeit für Ihre Antwort.
- Inhaltlich von der Emotion zur Beobachtung wechseln: Treten Sie gedanklich einen Schritt aus der Situation heraus und kommentieren Sie nicht den Inhalt des Angriffs, sondern das Geschehen. Damit durchbrechen Sie die Erwartungshaltung des Angreifers.
- Demonstrative Höflichkeit im Ton: Je unhöflicher der Angriff, desto höflicher Ihre Antwort. Damit machen Sie Ihren respektlosen Gesprächspartner subtil auf die Spielregeln aufmerksam und stellen seine Masche bloß, ohne sich auf einen Schlagabtausch unter der Gürtellinie einzulassen.
Die Schraube finden Sie nämlich auch fünf Minuten später noch im Regal, nachdem der Rentner mit rauchendem Kopf abgezogen ist. Ihre Würde nicht.
Kommen Sie gut an!
Ihr René Borbonus