VOM HÖRSAAL AUF DIE RENNSTRECKE

 

Beim Konstruktionswettbewerb „Formula Student” treten jedes Jahr Teams junger Ingenieurinnen und ­Ingenieure aus der ganzen Welt gegeneinander an. Neben ihrem Studium entwerfen und fertigen sie Formula-Rennwagen, die sich gegen rund 700 andere Teams durchsetzen müssen. Dafür sind etliche Stunden Arbeit, Teamgeist und die Unterstützung von Sponsoren nötig. Oft entstehen hier wertvolle Kontakte für den Berufseinstieg. Seit vielen Jahren ist Knorr-Bremse „Official Partner“ von vier Formula-Student-Teams: „municHMotorsport“ der Hochschule München, „Ecurie Aix“ der RWTH Aachen, „TUfast Racing Team“ der TU München und „Fast Forest“ der Technischen Hochschule Deggendorf. Das Aachener Team gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen.

Es ist der Morgen des 5. Mai 2019. Die Aufregung im ­Aachen-Münchner-Saal der RWTH Aachen ist groß. Die Bühnentechnik, die Präsentation, das Essen für die vielen Gäste – alles benötigt noch letzte Handgriffe. Doch der eigentliche Grund für die Aufregung bei den Studierenden des Teams Ecurie Aix ist ein anderer. In wenigen Stunden werden sie die beiden Ergebnisse vieler Wochen harter Arbeit enthüllen. Nicht nur für die Eltern, Freunde, Dozenten und Sponsoren im Saal ist das eine Premiere. Auch viele der Formula-Student-Teammitglieder werden die beiden selbstkonstruierten Rennwagen – einer davon elektrisch betrieben, der andere autonom fahrend – zum ersten Mal „in echt“ sehen, das heißt nicht nur als Computer-Modell am Bildschirm.

 

DIE GEBURTSSTUNDE DER RENNWAGEN

Die eigentliche Geburtsstunde der beiden Rennautos, die hier enthüllt werden, liegt jedoch mehrere Monate zurück: Bereits im September, als die Wagen der letzten Saison noch ihre letzten Runden auf europäischen Rennstrecken drehten, setzte sich das Entwicklungsteam neu zusammen. Zwei Wagen sollten entstehen und damit zwei ganz unterschiedliche Mammutauf­gaben für die Studierenden: Zum einen ein völlig neuer Wagen, ein sogenanntes Revolutionsauto, mit elektrischem Antrieb. Zum anderen sollte der E-Wagen des vergangenen Jahres zu einem gänzlich autonom fahrenden Fahrzeug umgebaut werden – eine große Aufgabe und ein langer Innovationsprozess für die Sensorik- und Aktorik-Experten (von morgen).

 

EIN MODELL MACHT NOCH KEIN FAHR­FERTIGES RENNAUTO

Bis zum fertigen Rennwagen werden noch viele unbezahlte Früh- und Nachschichten ins Land gehen. Beinahe jedes Teil muss einzeln konstruiert und angefertigt werden. So zum Beispiel das Carbon-Cockpit des Elektrofahrzeugs, das neben Aerodynamik und Gewicht u.a. auch hohen Sicherheitsanforderungen zum Schutz der Fahrer genügen muss. Einen Teil der Komponenten fertigt das Team in den Campus-Werkstätten der RWTH-Aachen: Gerade die komplexen, auf Funktionalität getrimmten Komponenten wie das Cockpit entstehen hier. Die Fertigung aller Bauteile wäre jedoch unmöglich. Deshalb kommen bei einigen Komponenten Sponsoren wie Knorr-Bremse ins Spiel. So steuert zum Beispiel das Team von Thomas Himmelsbach, das am Standort München für das Prototyping zuständig ist, in den vergangenen Jahren die Radträger für die Fahrzeuge von Ecurie Aix bei.

 

DIE BELASTUNG IM KONSTRUKTIONSWETTBEWERB ZAHLT SICH AUS

Abgesehen davon, dass die Teammitglieder alle unentgeltlich an ihren Rennwagen arbeiten, fordert die Teilnahme an ­Formula Student manchmal auch ihren Tribut beim ohnehin anspruchsvollen Studium. „Die intensive Fertigungsphase überschneidet sich mit der Klausurenzeit“, erklärt Carl Hergeth, der in seinem zweiten Jahr als Sponsoring-Leiter von Ecurie Aix tätig ist. Doch Stress und Anstrengung zahlen sich allemal aus. „Im Laufe der Saison werden die Studententeams mit technischen und auch zwischenmenschlichen Problemen konfrontiert, die andere erst spät im Berufsleben erfahren. Hier eigenverantwortlich Lösungen zu finden, zeichnet die Formula Student aus”, so Hergeth.

 

INGENIEURNACHWUCHS BEI KNORR-BREMSE

Dieser Erfahrungsvorsprung bleibt auch der Industrie und insbesondere den Sponsoren nicht verborgen. Welche Früchte der Kontakt mit Unternehmen wie Knorr-Bremse über die ­Formula Student hinaustragen kann, zeigen die Beispiele von Frederick Bovenschulte und Arne Schneider. Die beiden Ecurie- Aix-Alumni hatten Knorr-Bremse als Sponsor kennengelernt und sich im Anschluss für eine Bewerbung entschieden – mit Erfolg. Mit Unterstützung des Unternehmens war der Umzug von ­Aachen nach München inklusive Wohnungssuche keine große Hürde. „Man wird hier in viele Bereiche involviert und kann einen echten Beitrag zur Arbeit des Teams leisten“, sagt Bovenschulte, der in München am Remanufacturing von Drucksensoren mit­gewirkt hat. An ihr Pflichtpraktikum hängten Bovenschulte und Schneider noch ein freiwilliges Praktikum beziehungsweise eine Bachelorarbeit an.

 

AUF EIN NEUES BEI FORMULA STUDENT

In Aachen ist es mittlerweile später Nachmittag, das Team schon bei den Aufräumarbeiten. Die Rennwagen eace08 und ­eace07.d – das “d” steht für “driverless” – wurden unter Applaus enthüllt, die Präsentation verlief wie geplant. In den nächsten Tagen geht es für die fahrfertigen Rennautos nun in die Testphase. Hier gilt es, möglichst viele Daten zu sammeln, um in den anschließenden Wettbewerben das Beste aus den Wagen herausholen zu können. Auf den großen europäischen Rennstrecken, wo sich sonst Sebastian Vettel und Lewis Hamilton ihre Kopf-an-Kopf-Rennen liefern, werden eace08 und eace07.d dann in den verschiedensten Disziplinen gegen die Boliden anderer ­Formula-Student-Rennteams antreten. Und während die beiden Wagen im August in Hockenheim ihren letzten Tournee-Stopp ­haben, bereitet sich der Ingenieurnachwuchs in Aachen schon wieder vor: auf eine neue Saison, auf zwei neue Rennwagen.